Wo sitzt die Heizung für die Millionen Grad heiße Sonnenkorona? Über diese Frage grübeln und diskutieren die Astrophysiker seit Jahrzehnten. Das Problem: Weil das zweite Gesetz der Thermodynamik einen Wärmefluss vom kühleren zum wärmeren verbietet, kann die Hitze der Korona nicht direkt von der Sonnenoberfläche kommen. Sie muss irgendwie in der Korona selbst entstehen. Aber wie?
Bisher gibt es dafür zwei mögliche Erklärungsmodelle. Dummerweise kann aber keine dieser beiden Theorien alle Eigenheiten der solaren Korona erklären.
Plasmawellen als Hitzespender?
Die erste Theorie geht von sogenannten Alfvén-Wellen als Sonnenheizung aus. Diese Plasmaschwingungen entstehen, wenn die Magnetfeldlinien der Sonne ähnlich wie eine angeschlagene Gitarrensite schnell hin- und herschwingen. Diese Seitwärtsschwingung setzt sich entlang der Feldlinie fort und kann so Energie von der Sonnenoberfläche bis in die Korona übertragen. Tatsächlich entdeckten Sonnenobservatorien bereits 2007 solche Alfvén-Wellen auf der Sonne. Nur waren diese zu schwach, um die Koronahitze zu erklären.
War die Wellentheorie damit vom Tisch? Nicht ganz: Im Jahr 2011 lieferte das Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA neue, hochaufgelöste Messdaten, in denen sich die solaren Alfvén-Wellen als energiereicher entpuppten als zuvor angenommen. „Jetzt wissen wir, dass sie auf jedem Quadratmeter Sonnenoberfläche das Äquivalent einer 100 bis 200 Watt Glühbirne erzeugen“, erklärt Scott McIntosh vom National Center for Atmospheric Research in Boulder. „Das ist genug, um die Sonnenatmosphäre aufzuheizen und den Sonnenwind anzutreiben.“
Damit sind trotzdem noch nicht alle Fragen geklärt. Denn für die Strahlenausbrüche in der Korona reicht die Energie der Alfvén-Wellen nicht. Hinzu kommt: „Zu wissen, dass es genügend Energie in den Wellen gibt, ist nur eine Hälfte des Problems. Die nächste Frage ist nun herauszufinden, welcher Teil dieser Energie in Hitze umgewandelt wird“, erklärt Vladimir Airapetian vom Goddard Space Flight Center der NASA.
Oder doch Nanoflares?
Doch auch eine zweite Theorie ist noch im Rennen. Nach dieser liefern explosive Kontakte zwischen den solaren Magnetfeldlinien die Energie für die Koronaheizung. Bei diesen sogenannten Rekonnexionen kollabieren die elektrischen Felder zwischen den Feldlinien abrupt und setzen dabei Energie in Form von Hitze und Wellen frei. „Diese Nanoflares ereignen sich innerhalb der winzigen Fäden, die zusammen als Bündel die magnetischen Schleifen der koronaren Filamente bilden“, erklärt James Klimchuk vom Goddard Space Flight Center der NASA.
Er und seine Kollegen haben bereits vor einigen Jahren Indizien für solche Nanoflares in den Daten des japanischen Sonnensatelliten Hinode entdeckt. Doch diese Miniflares scheinen zu selten, um die Hitze der Sonnenkorona allein verursachen zu können.
Um das Ganze noch komplizierter zu machen, könnte die enorme Hitze der solaren Korona auch durch eine Kombination aus diesen beiden und vielleicht noch weiteren Mechanismen zustande gekommen sein. „Letztlich sind wir an den Punkt gelangt, an dem klar wurde: Wir werden das Rätsel der Koronaheizung niemals lösen, solange wir nicht eine Raumsonde hinschicken, um in der Korona selbst Messungen durchzuführen“, erklärt Nour Raouafi vom Projektteam der Parker Solar Probe.
Nadja Podbregar
Stand: 10.08.2018