Kulturhistorisch betrachtet war das Herz schon immer mehr als nur ein Muskel aus Fleisch und Blut. Vor allem im christlich geprägten Weltbild gilt: Im Herzen wohnt die Seele des Menschen. Deshalb verbinden wir das Organ mit Gefühlen wie Trauer, Neid – und allen voran der Liebe. Doch auch in anderen Kulturen nimmt das Herz eine bedeutende Stellung ein. So ist es im Islam ebenfalls ein Organ der Empfindung und gilt darüber hinaus als Ort der Offenbarung des göttlichen Willens.
Wie eng das Herz in unserer Vorstellung mit dem Gefühlsleben in Verbindung steht, offenbart sich in unserem Sprachgebrauch. Wir folgen unserem Herzen, sind herzlos oder haben ein weiches Herz. Wer glücklich ist, dem wird warm ums Herz. Liebeskummer hingegen bricht uns das Herz. Dass es sich bei diesen Redewendungen in erster Linie um Metaphern handelt, scheint klar. Doch rein symbolisch ist der Zusammenhang zwischen Herz und Emotionen dann doch nicht.
Seelenschmerz führt zum „Infarkt“
Das gebrochene Herz zum Beispiel scheint es aus physiologischer Sicht wirklich zu geben. So stellen Mediziner immer wieder fest, dass emotionale Ausnahmesituationen wie der Tod eines geliebten Menschen oder die Trennung vom Partner herzinfarktähnliche Symptome hervorrufen können: Schmerzen in der Brust, Luftnot, Zusammenbruch. Auch im Elektrokardiogramm (EKG) deuten die typischen Veränderungen der Herzstromkurve auf einen Infarkt hin.
Allerdings: Ein verstopftes Herzkranzgefäß suchen die untersuchenden Ärzte in diesen Fällen vergeblich. Stattdessen beobachten sie, dass das Herz an der Herzspitze vermindert schlägt und die linke Herzkammer seltsam verformt aussieht: An der Spitze ist sie aufgebläht und bauchig erweitert, am Ausflusstrakt in die Hauptschlagader dagegen verengt. Es handelt sich um ein sogenanntes Broken-Heart-Syndrom.
Stresshormone belasten das Herz
Die Ursachen für dieses Krankheitsbild sind noch nicht vollständig geklärt. Wissenschaftler vermuten aber, dass eine massive Freisetzung von Stresshormonen eine wichtige Rolle dabei spielt. Sie sprechen deshalb auch von einer Stress-Kardiomyopathie. Dabei wirken die Botenstoffe an der Herzwand und überreizen sie vor allem in der Nähe der Herzspitze, so die Annahme. Dadurch kommt es zu einem erhöhten Einstrom von Calcium-Ionen in die Zellen, der wahrscheinlich eine Art Muskelverkrampfung auslöst. Die Folge: Das Herz kann nicht mehr richtig pumpen.
Bei der Therapie setzen Mediziner unter anderem darauf, den Patienten zu beruhigen und die Wirkung der Stresshormone abzuschwächen. Gelingt dies nicht, können Betroffene im schlimmsten Fall in einen Schockzustand verfallen, bei dem der Kreislauf zusammenbricht und ein Multiorganversagen droht. Die gute Nachricht: Ist die akute Phase einmal überstanden, bleiben – anders als beim Infarkt – in der Regel keine Narben oder Funktionsstörungen des Herzmuskels zurück.
Auch Freude stresst das Pumporgan
Interessanterweise können nicht nur negative Emotionen die stressbedingten Herzbeschwerden auslösen. Bereits bei einer Untersuchung im Jahr 2006 fanden Wissenschaftler Hinweise darauf, dass besonders freudige Ereignisse dem Pumporgan womöglich ebenso zusetzen. Sie wollten herausgefunden haben: Die Wahrscheinlichkeit ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, ist am eigenen Geburtstag 27 Prozent höher als an jedem anderen Tag im Jahr. Nur Zufall?
Was wirklich dran ist an dieser Entdeckung hat ein Forscherteam vor Kurzem systematisch überprüft. Dabei suchten die Wissenschaftler im internationalen Stress-Kardiomyopathie-Register nach Patienten, die unmittelbar vor dem Anfall etwas Erfreuliches erlebt hatten. Ihre Schlussfolgerung: Es gibt tatsächlich auch ein Happy-Heart-Syndrom. Unter den möglichen Auslösern: Geburtstagspartys, Hochzeiten, Lottogewinne. Das Herz und die Psyche – sie sind demnach wohl enger miteinander verwoben als so manch Einer denken mag.
Daniela Albat
Stand: 16.06.2017