Von uns aus gesehen können wir in alle Richtungen gut 13 Milliarden Lichtjahre weit blicken – und in allen Richtungen sieht das Universum ziemlich gleich aus: Wir sehen lokale Materieansammlungen wie Sterne, Galaxien und selbst Galaxiencluster. Ihre Form und physikalischen Eigenschaften ähneln sich jedoch so stark, dass wir allein anhand der Beobachtungen nicht sagen könnten, von welchem Ende des Kosmos sie stammen.
Riesige gleiche Würfel
Und betrachten wir größere Ausschnitte des Himmels, dann gilt diese Gleichförmigkeit noch viel mehr: Egal in welche Richtung wir schauen, Materie und Energie sind im großen Maßstab betrachtet ziemlich gleichmäßig verteilt. Würden wir das Universum in Würfel mit 300 Millionen Lichtjahren Seitenlänge aufteilen, dann hätten alle die gleichen durchschnittlichen Merkmale, beispielsweise in Bezug auf Galaxiendichte, Temperatur oder Strahlungsausstoß.
Auch die kosmische Hintergrundstrahlung – das Licht, dass rund 380.000 Jahre nach dem Urknall freiwurde – ist erstaunlich einförmig: Egal wie weit zwei Bereiche auseinander liegen, ihre Temperatur weicht um höchstens 0,0002 Grad voneinander ab. Und das Muster aus wärmeren und kühleren Flecken in diesem Mikrowellenhintergrund ist ebenfalls in allen Richtungen weitgehend gleichmäßig verteilt.
Zu wenig Zeit
Rein theoretisch könnte das Zufall sein. Denn wartet man nur genügend lange, dann gleichen sich beispielsweise die Temperaturen vieler Dinge einander an – ähnlich wie ein Becher mit heißem Kaffee, der nach einer Stunde die Temperatur seiner Umgebung angenommen hat. Aber im Fall unseres Universums und des kosmischen Mikrowellenhintergrunds ist für einen solchen Prozess nicht einmal annähernd genügend Zeit vergangen, wie physikalische Modelle zeigen. Und das so seltsam gleiche Fleckenmuster lässt sich damit ohnehin nicht erklären.
Hinzu kommt: Es ist bei einer normalen Explosion ziemlich unwahrscheinlich, dass Hitze und Trümmer völlig gleichmäßig in alle Richtungen verteilt werden. Das lässt sich im Labor beobachten, aber auch im Weltraum: Die faszinierenden Überreste von Sternexplosionen bilden bizarre Gebilde, die alles andere als regelmäßig geformt sind. Es liegt daher nahe, auch beim Urknall von chaotischen Anfangsbedingungen auszugehen.
Zu große Entfernungen
Eine zweite Möglichkeit wäre daher ein kausaler Zusammenhang, ein Austausch von Informationen und physikalischen Parametern zwischen den verschiedenen Bereichen des Kosmos. Aber dieser Erklärungsansatz hat ebenfalls einen Haken. Denn stellen wir uns vor, kurz nach dem Urknall wären zwei Photonen in entgegengesetzte Richtungen gestartet. Sie wären dann bis heute gut 13 Milliarden Lichtjahre weit von ihrem Ursprung gekommen.
Weil sich gleichzeitig der gesamte Raum ausdehnt, werden sie sogar noch weiter entfernt, doch das lassen wir hier der Einfachheit halber erstmal außer Acht. Zwischen unseren Photonen liegen damit rund 26 Milliarden Lichtjahre. Ein Austausch zwischen ihnen ist damit nicht möglich. Denn jede Information müsste mit doppelter Lichtgeschwindigkeit transportiert werden, um diese Entfernung zu überbrücken.
In der Zeit, als die kosmischen Hintergrundstrahlung entstand, war dies nicht viel anders: Damals lag der Urknall nur rund 450.000 Jahre zurück, das Universum hatte aber schon einen Durchmesser von vielen Millionen Lichtjahren. Strahlung und Wärme konnten damit nicht mehr durch den gesamten Kosmos strömen und die Unterschiede ausgleichen. Eine Kommunikation zwischen allen Lichtteilchen wäre nicht mehr möglich gewesen. Der Horizont, den sie in der gegebenen Zeit erreichen konnten, war zu eng.
Wie aber kam dann trotzdem die über das gesamte Universum gleichförmig verteilte „Tapete“ der Hintergrundstrahlung zustande? Dieses Dilemma bezeichnen Kosmologen als Horizont-Problem. Der Horizont ist dabei die größte Distanz, die Information oder Energie seit dem Urknall mit Lichtgeschwindigkeit zurückgelegt haben kann.
Nadja Podbregar
Stand: 22.05.2015