Das Laboratorium der Evolution

Geschichte der "verzauberten Inseln"

„Die Erde ist wie Schlacke, wertlos, weil sie nicht die Kraft hat, auch nur ein bisschen Gras hervorzubringen“, schrieb Tomas de Berlanga, Bischof von Panama im Jahr 1535 über das Eiland, der als erster Europäer die Galápagos-Inseln betrat. Er war eigentlich auf dem Weg nach Peru gewesen. In der Mission, zwischen den über die Reichtümer des frisch unterworfenen Inkareichs in Streit geratenen Konquistadoren zu schlichten sollte er schlichten und war vom Kurs abgekommen. Die unbekannte Strömung, die sein Schiff zu den dunklen, auf den ersten Blick karg erscheinenden Inseln führte, ließ die Inselgruppe wie aus dem Nichts am Horizont erscheinen. Oder die Inseln verschwanden ebenso schnell in diffusen Nebelbänken. Ein Archipel, das scheinbar ohne feste Koordinaten auf dem Meer trieb, unvermittelt aus dem Blickfeld verschwand oder wieder auftauchte und dessen Gewässer als schwierig beschiffbar galten – nicht ohne einen leichten Schauer wurde das Archipel von den Seefahrern „Islas Encantadas“ – die verwunschenen Inseln – getauft.

Der Mythos, von dem die Insel umgeben wurde, kam einer Gruppe von Seefahrern, die die Verborgenheit bevorzugen, gerade recht. Über zwei Jahrhunderte, von 1590 bis 1790, dienten die Galápagos-Inseln vornehmlich englischen Piraten als Unterschlupf. Ihre Hinterlassenschaften – Bedarfsgegenstände des Alltags, wohnlich eingerichtete Höhlen und nicht zuletzt die englischen Bezeichnungen einiger Inseln des Archipels – sind auf diese ersten Nutznießer der Inseln zurückzuführen. Hier fanden sie, was sie zum täglichen Leben benötigten, Trinkwasser und leicht zu fangende Fleischvorräte.

Das Fleisch der endemischen Riesenschildkröten, die bis zu 350 Kilogramm auf die Waage bringen konnten, war zarter als jedes Hähnchenfleisch, so William Dampier, englischer Freibeuter im 17. Jahrhundert. Außerdem waren sie transportabel. Als lebende Konserven wurden sie in den Vorratsraum verladen und dienten auf Streifzügen als Frischfleischvorrat. Nicht nur ihr Fleisch wurde genutzt – die spanische Bezeichnung „galápago“ – Schildkröte – gab dem Archipel seinen Namen.

Bucht auf Galapagos © S.Elvin

Nach den Piraten kamen die Walfänger. Eigentlich auf der Jagd nach den damals noch zahlreichen Vorkommen der Pottwale im Ostpazifik, nahmen ganze Walfangflotten die guten Gaben des Archipels mit, bedienten sich bei den Riesenschildkröten und schlachteten massenweise Seelöwen und Seebären ab. Da die Inseln nie besiedelt waren, hatte die Tierwelt, die den Umgang mit dem räuberischen Menschen nicht gewohnt war und ihm mit Neugierde und Arglosigkeit entgegentrat, jetzt schon unter der Heimsuchung durch den Menschen zu leiden.

1832 änderte sich der Status der Inselgruppe. Das seit kurzem unabhängige Equador annektierte die Inseln und gab einige zur Besiedlung frei. Die erste Siedlung wurde auf Floreana errichtet, 1869 folgte San Cristóbal, 1897 Isabela und in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts Santa Cruz.

Als Charles Darwin am 17. September 1835 an Bord der Beagle die Galápagosinseln erreicht, ist er der erste Naturwissenschaftler mit ausdrücklich wissenschaftlichem Interesse an diesem Reiseziel. Doch zunächst geht es ihm nicht anders als den anderen Europäern. Auch er empfindet den ersten Anblick des Archipels als trostlos und öde. Den Geschmack der Schildkrötensuppe weiß er sehr wohl zu schätzen, während er dem Fleisch der Tiere nicht viel abgewinnen kann.

Wie auf den anderen Etappen seiner Reise beginnt er hier mit dem Anlegen von ausgedehnten Sammlungen, die er anfangs auch bunt, nicht geordnet nach der Zugehörigkeit zu Inseln anlegt. Noch hat er nicht bemerkt, das die Tiere und Pflanzen, die auf den Inseln anzutreffen sind, sich zwar sehr ähneln, doch eigenständige Arten darstellen.

„Es wäre mir doch nicht im Traume eingefallen, dass ungefähr 50 oder 60 Meilen voneinander entfernt liegende Inseln, die meisten in Sicht voneinander, aus genau denselben Gesteinen bestehend, in einem ganz ähnlichen Klima gelegen und nahezu zu derselben Höhe sich erhebend, verschiedene Bewohner haben sollten.“ Fünf Wochen verbringt Darwin auf dem Archipel, sammelt, macht Aufzeichnungen, studiert die örtlichen Gegebenheiten. Die Auswertung dieser fünf Wochen wird ihn zum Kerngedanken über die Entstehung der Arten führen, die erst 24 Jahre später veröffentlicht werden sollen….

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Stand: 03.05.2000

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Charles Darwin
Leben ist Veränderung

Erste Jahre eines jungen Naturforschers
(K)ein grader Lebensweg

Einmal um den Globus
Die Reise mit der Beagle

Das Laboratorium der Evolution
Geschichte der "verzauberten Inseln"

Was Darwin auf den Inseln entdeckte...
Endemische Tierwelt

Meeresechsen
Wechselwarme Taucher

Darwin-Finken
Revolution der Wissenschaften

Was Darwin nicht sah ...
Die Unterwasserwelt

... der letzte seiner Art
Gefährdungen des Archipels

Nach der großen Fahrt
Familienleben und ländliches Idyll

Das viktorianische Weltbild
Spiegel des wissenschaftlichen Denkens

Die Entstehung der Arten
Eine Veröffentlichung verändert die wissenschaftliche Welt

Reifezeit
Die letzten Jahre

Kurzgefasst
Glossar

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