Mit den zunehmenden Erkenntnissen rund um den Löss hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass das wortwörtlich „staubtrockene“ Forschungsgebiet ein enormes Potential bei der Rekonstruktion des Paläoklimas hat.
Weit verbreitetes Sediment
Etwa zehn Prozent der Landoberfläche auf der Erde sind mit Löss bedeckt. Es gibt ihn auf allen Kontinenten, im mittleren Westen der USA, in Argentinien, in Mitteleuropa, Zentralasien und China. Auch in Afrika und Australien finden sich lössartige Sedimente. In den mittleren Breiten ist er damit das am weitesten verbreitete Sediment. Und nicht nur das häufige Vorkommen macht den Löss so wertvoll. Er ist das vollständigste und kontinuierlichste terrestrische Klimaarchiv des Pleistozäns, also der vergangenen 2,5 Millionen Jahre.
Eine Besonderheit der Lössvorkommen ist, dass sie im Laufe ihres „Wachstums“ genau archiviert haben, wann es zu Kalt- und wann zu Warmzeiten kam. In den Kaltzeiten wurde der Löss akkumuliert. Erwärmte sich das Klima, begannen auf dem Löss-Untergrund Pflanzen zu wachsen und eine Bodenschicht entstand.
Beste Bodenbildung
Die besten Ackerbaugebiete weltweit finden sich heute auf Löss. Das kalkhaltige Lockersediment bietet beste Voraussetzungen, sich in exzellenten Ackerboden umzuwandeln. So entsteht aus Löss unter dem Einfluss eines kontinentalen, semihumiden bis semiariden Klimas Schwarzerde. Dieser Bodentyp, der zu den fruchtbarsten überhaupt gehört, entwickelt sich nur dort, wo eine grasreiche Steppenvegetation den Boden mit viel Humus versorgt und zahlreiche Bodenwühler wie Maulwürfe, Wühl- oder Zieselmäuse, Regenwürmer und Insekten obere und untere Schichten immer wieder miteinander vermischen. Die Börde- oder Gäulandschaften in Deutschland oder auch das große Schwarzerdegebiet in der Ukraine sind so entstanden.
Das Profil mächtiger Lössvorkommen, in denen sich die spezifischen Schichten aus Warm- und Kaltzeiten wie in einer Lasagne abwechseln, kann daher wie ein Kalendarium gelesen werden. Denn jede Warmzeit brachte einen neuen Bodenhorizont mit sich. Ging die Warmzeit dem Ende entgegen, verlangsamten sich die Prozesse der Bodenbildung und stoppten schließlich ganz, wenn das Klima wieder abgekühlt war. Der alte Boden wurde erneut von heranwehendem Löss überdeckt. Je nach Länge des kaltzeitlichen Intervalls wuchs die Lössdecke mehr oder weniger stark an, bis es zur nächsten Zwischeneiszeit oder einem kleineren Klimaoptimum kam, in dem ein weiterer Bodenhorizont entstehen konnte.
Hohe Datensicherheit
An diesen Löss-Paläoboden-Sequenzen, die in Europa bis etwa 50 Meter, in China jedoch mehr als 500 Meter mächtig sein können, lassen sich so Klimawechsel über einen langen Zeitraum nachvollziehen. So wurden beispielsweise durch Löss-Studien die so genannten Milankovic-Zyklen nachgewiesen. Dabei handelt es sich um Phasen, in denen sich die Erdneigung und so auch die Intensität des Sonnenlichts auf der Erde ändert.
Auch plötzliche, kurzfristige Klimaschwankungen lassen sich in Löss-Paläoboden-Sequenzen nachweisen. Vor allem in der letzten Eiszeit stiegen die Temperaturen immer wieder innerhalb von wenigen Jahrzehnten an und sanken ebenso schnell wieder ab. Auch diese Dansgaard-Oeschger- und Heinrich-Ereignisse genannten Klimawechsel sind im Löss dokumentiert.
Weil auch andere Klimaarchive wie marine Sedimente oder das Inlandeis an Nord- und Südpol solche globalen Umwelt-Änderungen aufgezeichnet haben, lassen sich die unterschiedlichen „Datenträger“ ausgezeichnet miteinander vergleichen und korrelieren.
Stand: 29.09.2006