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Zoologie

Das Leid der Brieftauben

Wie wir die Treue der Tiere ausnutzen

Frau mit Brieftaube
Tauben dienen uns schon seit langer Zeit als Briefüberbringer. © Hans Hassenteufel

Auch wenn sich der Mensch um die von ihm gezüchteten Tauben kümmert, garantiert das den Vögeln nicht immer ein schönes Leben. Ihr Leid ist dabei oft unsichtbar und wurde vor allem in vergangenen Zeitaltern billigend in Kauf genommen, um dafür von den besonderen Fähigkeiten der Tauben profitieren zu können. Denn: Tauben sind fabelhafte Briefboten.

Eingebautes Navi weist den Weg

Tauben übermitteln aber natürlich keine Nachrichten für uns Menschen, weil es ihnen Spaß macht oder in ihrer Natur liegt. Schließlich sind die Vögel sehr ortstreu und mögen es überhaupt nicht, ihre Heimat und vor allem ihren Partner zu verlassen. Mit ihm gehen sie eine lebenslange, innige Bindung ein. Nicht umsonst nennt man Verliebte auch Turteltauben.

Tauben Liebe
Tauben gehen mit ihrem Partner lebenslange Bindungen ein. © erry Ballard/ iStock

Doch ihre extreme Treue – sowohl ihrem Heimatschlag als auch ihrem Partner gegenüber – verhindert das Briefboten-Dasein der Tauben nicht etwa, sondern sie ermöglicht es erst. Entreißt man eine Taube ihrem Umfeld und setzt sie woanders aus, wird sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um so schnell wie möglich zurückzufinden. Zu diesem Zweck überwindet sie, wenn es sein muss, Hunderte Kilometer.

Das gelingt den Tauben dank ihres einzigartigen Orientierungssinns. Wie genau er ihnen den Weg nach Hause weist, ist noch nicht final geklärt, aber eine wichtige Rolle spielen wahrscheinlich der Geruchssinn, die Orientierung am Magnetfeld der Erde und auch visuelle Landmarken wie markante Gebäude.

Taube statt SMS

In der Praxis funktioniert das Texten per Brieftaube dann folgendermaßen: Will man eine Nachricht von Köln nach Düsseldorf senden, braucht man eine in Düsseldorf lebende Taube, die man dann nach Köln bringt und dort mit einem Zettel versieht. Sobald man sie wieder freilässt, fliegt die Taube zusammen mit der Nachricht zurück nach Düsseldorf und wird so zum Briefboten.

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Patrouillenkorb mit Brieftauben
Ein Patrouillenkorb mit Brieftauben, wie er einst bei Schweizerischen Gebirgstruppen zum Einsatz kam. © Schweizerisches Bundesarchiv

Auf den ersten Blick erscheint das nicht sonderlich praktisch. Wenn ich sowieso diejenige Person besuchen muss, die mir etwas mitteilen will, dann kann die Person mir ja auch während des Besuchs alles erzählen. Doch es gibt durchaus Fälle, in denen dieses System Sinn ergibt, zum Beispiel im Krieg. Noch in den beiden Weltkriegen war es üblich, Tauben in speziellen Körben mit an die vorderste Front zu nehmen. So konnte man Updates über das aktuelle Geschehen „nach hinten“ zu den Befehlshabern transportieren.

Durch einen Trick lässt sich die Nachrichtenübermittlung per Brieftaube aber auch in beide Richtungen lenken: Nämlich indem man die Taube in ihrem Heimatschlag nicht mehr füttert, sondern nur noch am Haus des Empfängers. Wenn die Taube Hunger hat, muss sie dann zu Person A fliegen, wenn sie ihre Heimat vermisst, findet sie zurück zu Person B und so weiter.

Wettbewerb der Brieftauben

Obwohl wir heute deutlich effizientere Methoden haben, um miteinander zu kommunizieren, gibt es die Brieftauben immer noch. Statt sie als Postboten einzusetzen, lassen Züchter sie nun aber in Wettbewerben gegeneinander antreten. Dazu bringen sie ihre Schützlinge an einen Hunderte Kilometer von ihrem Heimatschlag entfernten Treffpunkt und lassen sie dann losfliegen. Wessen Tauben am schnellsten wieder zurück in die Heimat finden, der gewinnt.

Die Tierschutzorganisation Peta kritisiert solchen Brieftaubensport und die beteiligten Züchter aufs Schärfste: „Sie machen sich die Verzweiflung der Tiere zunutze, möglichst schnell zurück in ihren Heimatschlag und zu ihren Familien fliegen zu wollen.“ Wir fänden es schließlich auch nicht gerade angenehm, wenn ein Riese uns unserer Familie entreißt und irgendwo in der Wildnis aussetzt.

Hochzeitstauben
Manche Hochzeitspaare lassen nach der Trauung weiße Tauben aufsteigen. © TimTam2020/CC-by-sa 4.0

Tierleid zur Hochzeit

Hinzu kommt, dass nicht alle teilnehmenden Tauben zurückfinden. Nicht wenige sterben unterwegs an Erschöpfung, Hunger oder Durst. Auch fallen einige Greifvögeln zum Opfer. Brieftauben, die die Orientierung verloren haben, stranden mitunter in den Städten und gesellen sich dort zu den Stadttauben.

Ähnlich ergeht es sogenannten Hochzeitstauben. Paare können die Tiere mit edlem weißen Gefieder für ihre Trauung mieten und als Symbol für Glück und Treue aufsteigen lassen. Damit die Tauben danach zu ihrem Schlag zurückkommen, werden sie ebenso wie die Brieftauben häufig von ihrem Partner getrennt. Und da die Orientierung von Hochzeitstauben deutlich schlechter ist als die von Brieftauben, verirren auch sie sich des Öfteren und sterben in der Folge.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Welt der Tauben
Ratten der Lüfte oder missverstandene Genies?

Eine große Familie
Taube ist nicht gleich Taube

Kot und Krankheit
Warum Stadttauben zu Unrecht einen schlechten Ruf haben

Das Leid der Brieftauben
Wie wir die Treue der Tiere ausnutzen

Unterschätzte Genies
Tauben sind schlauer als viele denken

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

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