Das einzige Weltwunder, das nicht unter freiem Himmel stand, wurde von Phidias – dem bedeutendsten Bildhauer Griechenlands – geschaffen. So genial Phidias als Künstler war, umso wilder waren die Geschichten, die man schon in der Antike über ihn erzählte. Er wurde unter anderem als eigenbrötlerisch, jähzornig und fanatisch bezeichnet.
Vor Phidias größter Herausforderung – der Schaffung der Zeus-Statue von Olympia – hatte er gemeinsam mit seinem Schüler an der Pallas Athene auf der Akropolis gearbeitet und sie schließlich auch vollendet. Phidias liebte das Gold, weshalb er es auch häufig in seinen Kunstwerken verarbeitete. Es kursierten Gerüchte, dass er deshalb in Athen, vor seiner Reise beziehungsweise Flucht nach Olympia, größere Mengen davon gestohlen habe. Für die Zeus-Figur bekam er 200 Kilogramm Gold vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Auch davon soll er sich bedient haben, ebenso wie bei den Edelsteinen… Der berühmte Phidias – ein skrupelloser Dieb? Oder war das Gerede nur das Ergebnis seiner vielen Neider?
Bevor Phidias mit der Arbeit an der Zeus-Statue begann, ließ er extra in seiner nur 80 Meter vom Tempel entfernten Werkstatt die Cella – das Innerste des antiken Tempels – nachbauen. So entsprach das Atelier genau den Abmessungen des Allerheiligsten und Phidias konnte die Wirkung des Kunstwerkes auf den Betrachter exakt abschätzen.
Zunächst errichtete der Bildhauer dann ein 12 Meter hohes Gerüst aus Eisen, Holz und Gips. Dieses sollte der angestrebten Größe der Statue entsprechen. Das Gesicht, Arme, Hände und Füße, also die unbekleideten Körperteile, wurden mit modelliertem Elfenbein beschichtet. Die Haare, das Gewand und die Sandalen bestanden hingegen aus purem Gold. Diese Goldauflage war circa 200 Kilogramm schwer und nach heutigem Preis ungefähr sechs Millionen DM wert. Im Haar trug Zeus den Olympionikkranz – Ölzweige, die sonst nur die Sieger bei den Olympischen Spielen erhielten – und über seiner linken Schulter hing ein mit Palmen- und Lilienblättern besäter goldener Umhang. Mit der linken Hand stützte sich Zeus auf einen Hellanodikenstab, auf dem sein heiliger Bote – ein Adler – saß. In der rechten Hand hielt er die Siegesgöttin Nike. Die Augen des Göttervaters stellten faustgroße Edelsteine dar.
Die Füße des Zeus ruhten auf einem von zwei Löwen getragenen Schemel, in dem sich der Künstler der Skulptur mit den Worten „Phidias, Sohn des Charmides aus Athen, hat mich geschaffen“ verewigt hat. Das Standbild des Zeus thronte auf einem Armsessel mit hoher Rückenlehne. Natürlich war auch der Thron aus edelstem Material – Zedernholz – und mit Ebenholz, Elfenbein, Gold und Edelsteinen reich verziert. Dieser Thronschmuck pries und würdigte Zeus, Griechenland und die Olympischen Spiele.
Einer Legende nach soll Phidias nach Fertigstellung der Statue seine Werkstatt zur Besichtigung der Allgemeinheit geöffnet haben. Hinter der geschlossenen Tür hatte er dann gelauscht und später die Statue anhand der Kritiken abgeändert. So entstand letztendlich eine Götterstatue, die der Idealvorstellung des griechischen Volkes entsprach.
Nachdem Phidias sein Werk definitiv vollendet hatte, zerlegte man die Statue wieder in alle ihre Einzelteile und transportierte sie Stück für Stück in den Tempel. Dort wurde sie dann an dem für sie bestimmten Platz endgültig zusammen gebaut.
Stand: 26.07.2001