„Als wir begannen, dachten wir, die Synthese des Genoms würde das größte Problem bei der Produktion einer künstlichen Zelle darstellen“, erklärt Craig Venter. Aber schon bald stellten sie fest, dass es noch andere Hürden zu überwinden gab. „Wir konnten das fertige Chromosom aus der Hefe isolieren, aber es wollte sich nicht transplantieren lassen und in der neuen Zellhülle aktiv werden“, so der Forscher.
Boot-Probleme durch DNA-Anhängsel
Schon im Jahr 2008 waren sie bei einem Vorversuch auf ein ähnliches Problem gestoßen. Zwei Jahre suchten die Wissenschaftler nach dem Grund für die Boot-Probleme ihrer Software, dann hatten sie es gefunden: „Es zeigte sich, dass die künstlich erstellte DNA methyliert war“, erklärt Venter. In diesem Zustand sind kleine Kohlenwasserstoffgruppen, die Methylgruppen, an die DNA-Stränge angelagert. Sie schützen das Erbgutmolekül vor dem Abbau durch bestimmte Enzyme, verhindern gleichzeitig aber, dass die durch die Methylgruppen blockierten Gene abgelesen werden. Die Maschinerie der Zelle kommt schlicht nicht an den Code heran und kann daher die entsprechenden Bauanleitungen nicht in Proteine umwandeln. Die Wissenschaftler entwickelten eine Methode, um die DNA vor dem Transplantieren zu entmethylieren und überwanden so dieses Startproblem.
Debugging von mehr als einer Million Codebuchstaben
Doch im Fall der Bakterienzelle konnte das nicht der Grund sein, die Methylgruppen waren längst entfernt. Was war es dann? „Wir mussten den Code debuggen wie eine Software, drei Monate kostete uns das“, erklärt Venter. Mühsam verglichen die Forscher die mehr als eine Millionen Basenpaar lange Sequenz Stück für Stück mit dem digitalen Originalcode. Sie suchten nach Tippfehlern, nach falschen Basenpaaren, die vielleicht ein oder mehrere wichtige Gene außer Gefecht setzten.
„Dabei stellten wir fest, dass zehn der elf im letzten Schritt erzeugten DNA-Stücke völlig korrekt waren“, so Venter. Der Fehler musste daher im elften und letzten Fragment liegen. Tatsächlich wurden die Forscher fündig: Ein einziges Basenpaar von 100.000 war in der Produktion verloren gegangen. Dummerweise lag es in einem essenziellen Gen und blockierte damit das Funktionieren des gesamten Erbguts. „Es gibt Teile des Erbguts, die nicht einmal einen einzigen Fehler vertragen, während man in andere Teile ganze Blöcke von DNA einfügen kann ohne dass viel passiert“, kommentiert Venter. Als Folge dieses Fehlers musste dieses Fragment noch einmal neu synthetisiert und das gesamte Genom erneut in Hefezellen zusammengesetzt werden.
Am 29. März 2010 – einem Montag – war es dann endlich soweit: Als Dan Gibson um 06:00 Uhr früh im Labor auf die Zellkulturen mit dem transplantierten Erbgut schaute, sah er eine leuchtend blaue Kolonie. Die ersten Zellen mit künstlich hergestellter DNA hatten sich vermehrt – sie lebten.
Nadja Podbregar
Stand: 23.03.2012