Warum zeigen Spektren von jungen Gasfilamenten so viel weniger typische Lyman-Alpha-Linien als diejenigen aus der kosmischen Frühzeit? Die Linien entstehen durch die Absorption des Lichts ferner Quasare durch normale Materie – im Fall der Gasfilamente vor allem neutralem Wasserstoff. Fehlen die Linien, bedeutet dies theoretisch, dass die Filamente heute auch weniger Wasserstoffgas enthalten. Wo aber ist diese Materie inzwischen hin?
Heißes Gas schluckt Linien
Auf die plausibelste Erklärung kamen Astronomen schon Ende der 1990er-Jahre mit Hilfe von kosmologischen Computersimulationen. In diesen hatten sie die Verteilung und die physikalischen Eigenschaften des intergalaktischen Mediums modelliert. Sie vermuteten, dass sich ein Teil des Gases infolge der fortschreitenden Strukturentwicklung aufheizte. Dadurch war mit wachsendem Alter des Universums immer weniger neutraler Wasserstoff in den Gasfilamenten enthalten. Denn durch die Aufheizung des Gases wird der Wasserstoff fast vollständig ionisiert. Das heißt: Fast alle Wasserstoffatome verlieren das einzige in ihnen gebundene Elektron.
Dies wiederum bedeutet, dass im Gas keine Elektronenbewegungen stattfinden können, die die Linien im Spektrum erzeugen. Die ionisierten Wasserstoffatome werden dadurch bei den geringen Teilchendichten im intergalaktischen Gas unsichtbar, das Gas wird fast zu 100 Prozent transparent. Demnach ist es also nicht das Gas, was verschwindet, sondern der neutrale Anteil des Gases, der das Licht absorbiert.
Woher erhält das Gas aber die Energie, um so heiß zu werden? Die zur Aufheizung und Ionisation des Wasserstoffs benötigte Energie stammt zumindest teilweise aus Schwerkraft-Wechselwirkungen im Gas selbst: Wenn sich das Gas in den kosmologischen Filamenten im Laufe der Zeit immer weiter zusammenballt, wird sogenannte gravitative Bindungsenergie frei. Sie sorgt dafür, dass die Filamente in eine neue sogenannte „warm-heiße“ intergalaktische Gasphase eintreten. Diese haben Astronomen zwar in Simulationen bereits modelliert, direkt nachweisen lässt sie sich aber bisher nicht so leicht.
Philipp Richter /DFG-Forschung
Stand: 06.07.2012