Monumentalbauten wie die Pyramiden von Gizeh entstehen nicht von heute auf morgen. Allein der Bau der Cheops-Pyramide dürfte Archäologen zufolge einst bis zu 15.000 Arbeiter 20 Jahre lang beschäftigt haben. Sie schichteten in dieser Zeit geschätzte 2,30 Millionen Steinblöcke mit einem durchschnittlichen Gewicht von 2,50 Tonnen aufeinander. Dass ihnen das mit den Mitteln ihrer Zeit gelang, verblüfft Archäologen bis heute.
Noch verblüffender ist wahrscheinlich nur die Präzision des Bauwerks. So differiert das Gefälle zwischen der Nord- und Südseite der Cheops-Pyramide zum Beispiel trotz 230 Meter langen Seitenkanten gerade einmal um 2,20 Zentimeter. Die tonnenschweren Steinblöcke wiederum sind auf 0,20 Millimeter genau geschlagen, sodass maximal eine Rasierklinge zwischen sie passt. Und auch die rechten Winkel der Pyramidenbasis sind so perfekt vermessen, als hätte man moderne lasergestützte Geräte dafür verwendet.
Karriere mit Knick
Doch die Ägypter waren nicht von Anfang an so perfekt in ihrem Handwerk, wie ältere Pyramiden vermuten lassen. Ganz zu Beginn beschränkten sie sich bei ihren Gräber auf sogenannte Mastabas – niedrige Pyramidenstümpfe. Es folgten Stufenpyramiden wie die Djoser-Pyramide und schließlich der erste Versuch einer Pyramide mit glatten Seitenwänden: die Knickpyramide von Dahschur.
Wie der Name bereits verrät, hat diese Pyramide nach oben hin einen markanten Knick. Archäologen vermuten, dass sie zunächst mit einem Steigungswinkel von 60 Grad errichtet wurde, doch als das Bauwerk Anzeichen von Instabilität zeigte, verbreiterten die Arbeiter die Basis und flachten den Rest der Pyramide auf einen Steigungswinkel von 23 Grad ab, wodurch ein sichtbarer Knick entstand.
Mit der Kraft des Wassers
Wie die Perfektion der Pyramiden von Gizeh zeigt, haben die altägyptischen Architekten aber aus ihren Fehlern gelernt und in Sachen Konstruktion große Fortschritte gemacht. Die beste architektonische Planung nutzt allerdings nichts, wenn das Baumaterial fehlt. Wie genau es den Arbeitern einst gelang, die tonnenschweren Steinblöcke heranzuschaffen, war lange Zeit ein Rätsel, denn der Nil – eine Art natürliches Förderband – ist heute zehn Kilometer vom Gizeh-Plateau entfernt.
Doch wie Archäologen im Jahr 2022 herausgefunden haben, war das vor 4.500 Jahren noch nicht so. Damals führte ein heute ausgetrockneter Seitenarm des Nil noch direkt an rund 30 der heute bekannten Pyramiden vorbei, auch an denen von Gizeh. „Das half den Baumeistern, den Transport von Steinen und anderen Materialien per Schiff abzuwickeln“, erklärt ein Archäologenteam um Hader Sheisha von der Universität Aix-Marseille. „Als Folge nahm die Zahl der archäologischen Bauten auf dem Plateau von Gizeh vor allem während der vierten Dynastie schnell zu.“
Stein auf Stein
Das Wasser könnte überraschenderweise auch dabei geholfen haben, die schweren Steine vertikal zu befördern, wie Xavier Landreau vom Paläotechnischen Institut in Paris mit seinem Team kürzlich herausgefunden hat. Sie vermuten, dass der Wasserzustrom aus dem Nil-Seitenarm zumindest beim Bau der Stufenpyramide von Djoser genutzt wurde, um ein hydraulisches Hebesystem anzutreiben. Auf schwimmenden Flößen deponierte Steine wären mit diesem „Wasseraufzug“ direkt dorthin gelangt, wo man sie gerade brauchte.
„Der hydraulische Hebe-Mechanismus ist revolutionär für den Bau von Steinstrukturen und hat in unserer Zivilisation keine Parallele. Diese Technologie beleuchtet das exzellente Energie-Management und die effiziente Logistik dieser Kultur“, betonen Landreau und seine Kollegen. Parallel zur Kraft des Wassers nutzten die Pyramidenbauer aber wahrscheinlich noch andere gängige Bautechniken, um die Steine zu bewegen – darunter Rampen, Seilzüge und Rollen. Das erleichterte den anstrengenden Bau, der im Übrigen von bezahlten Facharbeitern und Bauern und nicht wie häufig angenommen von Sklaven verrichtet wurde.
Gibt es in den Pyramiden Fallen?
Viele der über 100 ägyptischen Pyramiden, die heute noch stehen, sind allerdings nicht nur von außen bauliche Meisterleistungen, sondern haben auch ein komplexes Innenleben mit einem verzweigten Netz aus Gängen und Kammern. Viele Wege enden auch in vermeintlichen Sackgassen, die dahinterliegende Grab- und Schatzkammern vor Grabräubern verstecken sollten.
Viel mehr Maßnahmen wurden allerdings nicht ergriffen, um die ewige Ruhe des Pharao zu gewährleisten. Anders als gern in Abenteuerfilmen dargestellt, konstruierten die Arbeiter keine komplizierten Fallen mit Selbstschussanlagen, Stachelgruben und Giftschlangen. Sie hofften stattdessen, potenzielle Grabräuber mit drakonischen Strafen und Flüchen von den Pyramiden fernzuhalten. Allerdings eher mit mittlerem Erfolg, denn Grabräuberei war zeitweise in allen Schichten der ägyptischen Gesellschaft verbreitet.