Während das Herz unser Blut durch den Körper pumpt, ist die Leber eine seiner „Filtereinheiten“. Das Organ ist dafür zuständig, lebenswichtige Nährstoffe aus dem Blut aufzunehmen und darin enthaltene Schadstoffe zu entgiften. Zudem produziert die Leber Gallensekret, das bei der Verdauung hilft. Als eine Art hochleistungsfähige „Kläranlage“ und Drüse übernimmt die Leber damit eine zentrale Aufgabe in unserem Stoffwechsel. „Pro Minute filtert sie 1,5 Liter Blut und damit täglich etwa 2.000 Liter Blut. Das entspricht bis zu 500 Mal unserem gesamten Blutvolumen“, informiert der Internistenverband BDI.
Für diese enorme Leistung ist die Leber entsprechend gerüstet. Mit etwa 1,4 bis 1,8 Kilogramm bei Erwachsenen ist sie unser schwerstes inneres Organ und mit etwa 20 Zentimetern im Querschnitt die größte Drüse in unserem Körper. Entsprechend ist sie auch das energieintensivste unserer Organe und verbraucht bei ihrer Arbeit rund 20 Prozent unserer über die Nahrung aufgenommenen Energie.
Wie sieht die Leber aus?
Das keilförmige rostbraune Gewebe liegt im rechten Oberbauch unterhalb der Rippen, wo es mit dem Zwerchfell verwachsen ist. Die Leber besteht aus zwei Lappen, wobei der rechte etwa doppelt so groß ist wie der linke Lappen, der den weiter innen und auf der linken Seite liegenden Magen teils überdeckt. Zusammen sind beide Leberlappen durch Bindegewebe eingekapselt und bilden ein kompaktes, glänzendes Organ.
Das Blut gelangt über zwei Hauptgefäße an der Unterseite der Leber in und aus dem Organ. An dieser Pforte befindet sich auch der Gallengang, über den die Gallenflüssigkeit die Leber in Richtung Darm verlässt. Diese Blut- und Gallengefäße teilen sich hinter der Pforte astförmig auf und versorgen die beiden Lappen der Leber, die wiederum in je vier Segmente unterteilt sind. Durch diese Gabelung können alle acht Segmente unabhängig voneinander funktionieren.
Filtereinheiten des Bluts
Die Segmente der Leber sind selbst in Untereinheiten unterteilt, in sogenannte Leberläppchen. „Diese nur etwa ein bis zwei Millimeter großen, sechseckigen Gewebeeinheiten bestehen zum größten Teil aus Leberzellen, den Hepatozyten“, erklärt der BDI. Dazwischen befinden sich feine Kapillarnetze aus kleinen Blutgefäßen, so dass das Blut jede dieser winzigen Funktionseinheiten der Leber erreicht. Über das Blut gelangen Nähr- und Schadstoffe sowie Hormone, die es zuvor aus dem Darm beziehungsweise der Bauchspeicheldrüse aufgenommen hat, in die Leberzellen. Dort passieren die eigentlichen Stoffwechselvorgänge.
In den Zellen der Leberläppchen entsteht auch die Gallenflüssigkeit, die über ein Netz aus kleinen Kapillargefäßen zur Leberpforte strömt. So sammelt sich täglich rund ein Liter Galle in der unter der Leber befindlichen Gallenblase, die von dort weiter in den Zwölffingerdarm ausgeschüttet wird. Dort helfen die in der Gallenflüssigkeit enthaltenen Cholesterine und Gallensäuren beispielsweise, Fette in der Nahrung zu verdauen.
Nährstoffaufnahme und Speicherung
Am „Ort des Geschehens“, in den Leberläppchen, verwerten die einzelnen Zellen Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Vitamine und Mineralien wie Eisen entweder selbst, wandeln sie in andere Stoffe um oder bauen sie ab. Dafür verfügt die Leber über spezialisierte Enzyme, die die dabei ablaufenden chemischen Reaktionen ermöglichen. „Unter anderem können die Leberzellen Eiweiße in Zucker und Zucker in Fett umwandeln“, so der BDI.
Wenn die Leberzellen selbst gerade keine Nährstoffe benötigen, speichern sie sie für spätere Zeiten ab und geben sie bei Bedarf wieder frei. Vor allem nachts versorgt die Leber unseren Körper dadurch mit Energie und arbeitet auf Hochtouren. Bei normaler Ernährung füllt und leert sich der Nährstoffspeicher der Leber so täglich. Die Leber von Tieren gilt wegen der darin gespeicherten Vitamine und Nährstoffe auch als besonders gesundes Lebensmittel.
Entgiftung von Schadstoffen
Doch in unserem Stoffwechsel entstehen nicht nur nützliche Nährstoffe, sondern regelmäßig auch giftige Substanzen. Entweder haben wir sie direkt über die Nahrung zu uns genommen oder sie entstehen als Nebenprodukt in unserem Stoffwechsel. Auch für diese Substanzen ist die Leber zuständig. Vor allem nachts, wenn die Leber keine frischen Nährstoffe verdauen muss, kümmert sie sich um die Abfallentsorgung.
Das Organ entgiftet die Schadstoffe dabei über spezielle Enzyme, von denen die meisten zur Gruppe der P450 Cytochrome gehören. Diese finden sich oft in Membranbläschen innerhalb der Zellen, den Lysosomen. Diese sind generell in allen Zellen unsers Körpers für die „Müllabfuhr“ zuständig, in Leberzellen jedoch extra gut und spezialisiert ausgestattet, wie Forschende herausfanden. „Die Lysosomen von Leberzellen sind randvoll mit Abbau-Enzymen“, berichtet Dominic Winter vom Universitätsklinikum Bonn.
Mit diesen Enzymen wandelt die Leber beispielsweise giftigen Ammoniak in harmlosen Harnstoff um oder Alkohol in zwei Schritten zu unschädlicher Essigsäure, die dann weiter in Fett umgebaut wird. Schadstoffe, die die Leber selbst nicht umwandeln kann, gibt sie über das Blut an die Niere oder die Galle an den Darm weiter, wo sie mit Harn beziehungsweise Stuhl ausgeschieden werden. Auch Medikamente werden so von der Leber entsorgt.
Teil der Immunabwehr
Weniger bekannt als ihre Filterfunktion von Nähr- und Schadstoffen ist, dass die Leberzellen darüber hinaus auch weitere Stoffe aus dem Blut filtert. Dazu zählen körpereigene und Umwelt-Hormone, alte oder defekte rote und weiße Blutzellen sowie Krankheitserreger wie Bakterien. Die Leber entsorgt diese beziehungsweise ihre Inhaltsstoffe. Damit ist sie auch ein wichtiger Teil unseres Immunsystems und ein echtes Allrounder-Organ.
Die Leber entsorgt dabei nicht nur schädliche Erreger und Substanzen, sondern hilft auch aktiv bei der Heilung von Entzündungen und Wunden. Dafür bildet sie bei Bedarf bestimmte Eiweiße wie das C-reaktive Protein, die den Heilungsprozess fördern, sowie Gerinnungsfaktoren, die das Blut bei Verletzungen gerinnen lassen. Zudem bildet die Leber auch die Ausgangsprodukte für unsere Sexualhormone.
Die Leber kann sich selbst regenerieren
Durch ihren modularen Aufbau ist die Leber auch in einer weiteren Hinsicht außergewöhnlich: Sie kann sich als eines der wenigen Organe unseres Körpers wieder komplett regenerieren. Wenn Teile der Leber operativ entfernt werden, wachsen diese wieder nach. Dadurch ist es auch möglich, eine stark geschädigte Leber vollständig zu entfernen und durch die halbe Leber eines lebenden Spenders zu ersetzen. Sowohl im Körper des Organspenders als auch im Empfänger wachsen die Leberhälften innerhalb von etwa zwei Monaten wieder zu normalgroßen Organen heran. Maßgeblich an diesem Regenerationsprozess beteiligt ist das Hormon Serotonin aus den Blutplättchen.
Doch auch ohne Entfernung oder Verletzung eines Leberteils bilden sich die Zellen der Leber stetig und in rasantem Tempo neu, wie Forschende unlängst herausfanden. Selbst unter normalen Umständen bleibt die Leber demnach im Schnitt immer weniger als drei Jahre alt, unabhängig vom Alter unseres restlichen Körpers. „Die Leber bleibt das ganze Leben lang ein junges Organ“, teilten Paula Heinke von der Technischen Universität Dresden und ihre Kollegen mit. „Unabhängig vom Alter wurden mehr als die Hälfte unserer Leberzellen erst im letzten halben Jahr geboren.“