Die Aufgabe ist alles andere als einfach: Soll ein Asteroid rechtzeitig von seinem Kollisionskurs mit der Erde abgelenkt werden, muss die gesamte Operation Millionen Kilometer von der Erde entfernt stattfinden. Das Ziel ist dann noch so weit entfernt, dass möglicherweise nicht alle Details seiner Beschaffenheit, Rotation und Masse vor dem Start der Abwehrsonde geklärt werden können – die Auflösung der irdischen Teleskope reicht dafür nicht aus.
Die Auswahl des Testobjekts
Ob eine Abwehrmission dennoch gelingen kann und was dabei möglicherweise schief gehen kann, testet die NASA zurzeit mit dem „Double Asteroid Redirection Test“, kurz DART. „DART ist die erste Technologie-Demonstration eines kinetischen Deflektors – der Methode, die den Einschlag eines Asteroiden auf der Erde verhindern könnte“, erklärt DART-Missions-Leiter Clayton Kachele vom Marshall Space Center der NASA. „Einfach ausgedrückt wird DART losgeschickt, um die Umlaufbahn eines Asteroiden zu verändern.“
Die wichtigste Voraussetzung für einen solchen Test ist, dass dieses Experiment keine Gefahr für die Erde darstellen kann. Der Zielbrocken muss daher eine Flugbahn haben, die ihn möglichst nicht in Erdnähe bringt – selbst nach einer missglückten Ablenkung nicht. Andererseits muss der Asteroid nah genug sein, um die Wirkung des Rammens genau beobachten zu können. Er sollte daher mit leistungsstarken Teleskopen sichtbar sein.
Didymos und sein Mond
Diese Bedingungen erfüllt der 1996 entdeckte Doppelasteroid Didymos. Dieses System besteht aus dem 780 Meter großen Asteroiden Didymos und seinem rund 160 Meter großen Mond Dimorphos. Beide kreisen auf einem exzentrischen Orbit um die Sonne, die sie von ihrem sonnenfernsten Punkt außerhalb der Mars-Bahn bis zu einem sonnennächsten Punkt innerhalb der Erdbahn pendeln lässt. Beide sind demnach Erdbahnkreuzer und gehören damit zu den Asteroiden, die zwar nicht akut bedrohlich sind, aber der Erde in ferner Zukunft nahekommen könnten.
Das ist auch der Grund, warum die DART-Mission nicht den Asteroiden Didymos selbst anvisiert: Das Risiko ist zu groß, dass der Brocken versehentlich so abgelenkt wird, dass er eines fernen Tages doch die Erde trifft. Stattdessen ist das Zielobjekt der Asteroidenmond Dimorphos. Weil er in einem stabilen Orbit um Didymos kreist, beeinflusst die Ablenkung nur seine Umlaufbahn, nicht aber die Flugbahn des gesamten Systems.
Transits machen Veränderungen sichtbar
Hinzu kommt: Der Asteroidenmond zieht auf seiner Umlaufbahn um Didymos genau vor ihm vorbei. Dieser regelmäßige Transit hat es den Astronomen ermöglicht, den Orbit von Dimorphos und seine Größe mit irdischen Teleskopen schon relativ genau zu bestimmen. Der kleine Mond benötigt demnach 11 Stunden und 55 Minuten für eine Umkreisung seines Mutterasteroiden. Beide sind dabei nur rund 1,18 Kilometer voneinander entfernt.
„Die Vorher-Nachher-Natur unseres Experiments erfordert detailliertes Wissen über das Asteroidensystem – wir wollen nicht in der letzten Minute feststellen müssen: Oh, hier gibt es etwas, das wir nicht gesehen oder bedacht haben“, erklärt Nick Moskovitz vom Lowell Observatory in Arizona. Er und sein Team haben daher in den letzten Wochen letzte vorbereitende Messungen mit ihrem Teleskop durchgeführt. „Wir sind jetzt sehr zuversichtlich, dass wir das Asteroidensystem gut verstanden haben und wir daher auch erkennen können, was nach dem Einschlag der Sonde passiert“, so der Forscher.
Erst diese Daten machen es möglich, den Erfolg der DART-Mission einzuschätzen: Trifft die DART-Sonde den Mond Dimorphos an der richtigen Stelle und im richtigen Winkel, dann wird dies die Bahn des Mondes um seinen Mutterasteroiden leicht verändern. Modellsimulationen zufolge sollte sich diese Ablenkung in der Transitperiode zeigen: „Der DART-Impakt auf dem kleineren Partner des Didymos-Systems sollte dessen Orbitalperiode mindestens um 73 Sekunden verändern“, berichten DART-Wissenschaftsleiter Andrew Rivkin von der Johns Hopkins University und sein Team.
Am 26. September 2022 – zum Zeitpunkt des DART-Tests – wird der Doppelasteroid Didymos-Dimorphos nur noch rund elf Millionen Kilometer von der Erde entfernt sein – nahe genug, um die Ablenkung zu beobachten.
Der realen Bedrohung sehr nahe
Das Didymos-System ist aber noch aus einem anderen Grund besonders gut als Testfall geeignet: „Das Didymos-System ist nicht nur aus technischen Gründen die beste Wahl, seine beiden Komponenten sind auch repräsentativ für potenzielle Impaktoren auf Erdkurs“, erklärt Rivkin. Mit rund 165 Metern Durchmesser ist Dimorphos groß genug, um bei einem Einschlag eine ganze Region zu verwüsten. Gleichzeitig entspricht seine Größe der jener Asteroiden, die am wahrscheinlichsten den nächsten potenziell katastropalen Einschlag verursachen werden.
Auch in seiner Zusammensetzung könnte das Zielobjekt der DART-Mission dem „Ernstfall“ sehr nahe kommen: „Die Analyse des sichtbaren und Nahinfrarot-Spektrums von Didymos zeigt, dass seine Zusammensetzung einem L/LL-Chondriten entspricht – und damit der Komposition der meisten auf die Erde treffenden Meteoriten“, erklären Rivkin und seine Kollegen. „Alles zusammengenommen bedeutet dies, dass die Ergebnisse unseres Experiments auf eine große Zahl von möglichen Szenarien der planetaren Abwehr übertragbar sind.“