Irgendwann zwischen 60 und 78 nach Christus erscheint Dioskurides „De Materia Medica“. Mit der Veröffentlichung beginnt eine Erfolgsgeschichte, die jahrhundertlang anhalten soll. Dioskurides gelingt es, die Pharmazie als eigenständiges Fachgebiet innerhalb der Medizin stark zu machen – und seine Abhandlung wird schnell zum unangefochtenen Standardwerk in diesem Bereich.
Dabei ist der griechische Arzt nicht der Erste, der über Arzneimittel schreibt. Doch ihm spielen nun die Entwicklungen seiner Zeit in die Hände. Anders als die altrömischen Heilkundler vor Christi Geburt steht ihm mit der großen Ausdehnung des Römischen Reiches das Tor zur Welt – und exotischen Zutaten – offen. Während sich Autoren wie Marcius Porcius Cato noch traditionell auf den bäuerlichen Garten beschränken und zum Beispiel den Kohl als Heilmittel propagieren, kann Dioskurides aus dem Vollen schöpfen.
Zutaten aus aller Herren Länder
Er beschreibt Pflanzen, die aus Griechenland und Kleinasien, aber auch aus Italien oder sogar Ägypten stammen. Da ist vom Lorbeerbaum die Rede und von Platanen, von Myrrhe und von Safran. Insgesamt rund 1.000 Medikamente und Rezepturen sowie deren mögliche Anwendungen bei Leiden wie Kopfschmerzen, Frauenkrankheiten oder Vergiftungen behandelt Dioskurides in seinem Werk. Kurzum: Er widmet sich den Arzneimitteln in einem zuvor nie dagewesenen Umfang.
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Experten unterteilen sein Werk heute klassischerweise in fünf Bücher. Darin beschreibt der antike Arzt die Verwendung von Baumsäften und Früchten zur Gewinnung von heilbringenden Ölen, ebenso wie die Wirkung tierischer Produkte wie Honig, Milch und Fette. Besonders ausführlich behandelt er Wurzeln, Kräuter und andere Pflanzen. Im letzten Buch widmet er sich unter anderem Mineralien und Getränken wie dem Wein.
Erwärmend oder Schlaf erzeugend
Seine Ausführungen folgen dabei stets dem gleichen Schema: Zunächst nennt Dioskurides den Namen des Heilmittels, gefolgt von einer Liste geläufiger Synonyme. Es schließen sich Angaben über die Herkunft sowie eine kurze Beschreibung an. Manchmal vertraut Dioskurides jedoch offensichtlich darauf, dass der Leser eine Pflanze kennt und verzichtet auf die botanische Skizzierung.
Das Hauptaugenmerk liegt dann auf den medizinischen Eigenschaften sowie Anleitungen zur Anwendung. Da werden Arzneien als erwärmend, kühlend, erweichend, trocknend oder Schlaf erzeugend beschrieben. Es werden Wurzeln zerrieben, Früchte in Wein abgekocht oder mit Rosenöl gemischt und Blätter in Essig getaucht.
Ein neues Konzept
Dioskurides Art der Pflanzenbeschreibung hat Vorbildcharakter für spätere Kräuterbücher bis in die frühe Neuzeit. Als weniger nachhaltig zeigt sich dagegen sein Ansatz, die Medikamente in einer ganz bestimmten Reihenfolge anzuordnen: Anders als seine Vorgänger sortiert Dioskurides die Stoffe nicht alphabetisch oder nach äußerlichen Merkmalen. Stattdessen wendet er eine Systematik an, die sich nach der qualitativen Verwandtschaft und der medizinischen Wirksamkeit der Stoffe richten soll – ein Novum.
Zur Begründung schreibt er: „Denn die nach dem Alphabet beschreiben, trennen das nach Art und Wirkung Gleichartige, wodurch dieses schwerer im Gedächtnis behalten werden kann“. Schon mit den ersten Abschriften des Werkes geht das alte Ordnungsprinzip aber verloren, die Stoffe werden wieder alphabetisch sortiert.
Daniela Albat
Stand: 18.03.2016