1978 endet die Einlagerung von Atommüll im Bergwerk Asse II. Wegen seines Status als Versuchsendlager wird der Zustand des Salzstocks jedoch weiter überwacht. Das Augenmerk liegt dabei vor allem auf zwei wohlbekannten Eigenheiten von unterirdischen Salzvorkommen: Die Fähigkeit zur plastischen Verformung und die Entstehung von Salzlauge.
Um bis zu sechs Meter verformt
Salzgestein ist sehr tragfähig und in sich stabil, deswegen kommen Salzbergwerke weitgehend ohne zusätzliche Stützen aus – die Schachtwände und Kammerdecken tragen sich selbst. Dennoch bleibt der auflastende Druck nicht folgenlos: Anders als spröderes, aber formstabiles Gestein wie Granit gibt Salzgestein unter Druck nach. Je höher die Last, desto stärker verformt es sich.
Genau das passiert auch in der Asse: Weil die Hälfte des Salzgesteins im Salzstock fehlt, ist der Rest einem enormen Druck ausgesetzt. An einigen Stellen hat sich das Salz dadurch schon um mehr als sechs Meter verschoben. Decken von Gängen und Kammern sind eingesunken, tragende Wände seitlich verformt. Diese Veränderungen setzen sich bis ins darüberliegende Deckgebirge fort. Dieses verschiebt sich pro Jahr um rund 15 Zentimeter, wie Messungen ergeben haben.
13.500 Liter Salzlauge – jeden Tag
Das Problem dabei: Auch Salz ist nicht endlos verformbar. Irgendwann wird die Belastung zu hoch und es bilden sich Risse, im Extremfall können dadurch ganze Teile des Salzstocks einstürzen. Schon vorher jedoch eröffnen die Risse und Spalten im Salzgestein einer weiteren Gefahr den Weg – dem Wasser. Bereits während der Einlagerung des Atommülls in der Asse drang in den tieferen Sohlen immer wieder Salzlauge ins Bergwerk ein. Weil dieser Einstrom aber nur punktuell passierte und 500 bis 700 Liter nicht überschritt, galt dies als „beherrschbar“: Man dichtete die Risse mit Zementbarrieren ab und pumpte den Rest der Lauge ab.
Doch seither hat sich die Lage drastisch verschlimmert: Seit 1988 haben sich 32 neue Zutritte von Salzlauge aufgetan, die größtenteils in den tieferen Sohlen des Bergwerks unterhalb von 650 Metern aus dem Salzgestein quillt. Allein in den letzten Jahren hat sich dieser Laugenzustrom von knapp 12.000 auf jetzt 13.500 Liter pro Tag erhöht. Ein Teil dieses Wassers stammt aus dem Bergwerksteil, in dem früher Kalisalz abgebaut wurde. Der Rest dringt über Risse von außen in den Salzstock ein – höchstwahrscheinlich über das Deckgebirge und Nachbargestein an der Südflanke des Asse-Sattels.
Ein Teil der Lauge ist radioaktiv kontaminiert
Der größte Teil der eindringenden Salzlauge ist nach Angaben der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nicht radioaktiv kontaminiert, weil sie oberhalb der Einlagerungskammern aus dem Salz strömt. Dieses Wasser wird in einem Sammelbecken auf der 490-Meter-Sohle aufgefangen und an die Oberfläche gepumpt. „Derzeit werden sie entsorgt oder industriell weiterverarbeitet“, heißt es dazu bei der BGE.
Messungen belegen jedoch, dass zumindest ein Teil der eindringenden Salzlauge auch durch die Kammern mit dem radioaktiven Abfall sickert und dadurch verseucht wird. Diese Lauge enthält unter anderem radioaktives Cäsium-137 und Tritium. Dies betrifft laut BGE rund 20 Liter Lauge pro Tag, die in der tiefsten Sohle auf 750 Meter Tiefe austreten und gesammelt werden. Zudem quellen vor der in 511 Meter Tiefe liegenden Kammer mit mittelradioaktiven Abfällen täglich rund 13 bis 16 Liter verseuchte Lauge aus dem Salz.
Bereits 1988 gibt es Versuche, einen Teil des radioaktiv kontaminierten „Sumpfs“ vor einer der tiefen Einlagerungskammern abzupumpen. Diese verseuchten Laugen werden in Stahlfässer gefüllt, auf die 700-Meter Sohle gebracht und dort einfach ausgeleert, wie sich 2009 herausstellt: „Dort wurden die Salzlösungen auf geschichtete Gesteinsbrocken (Salzhaufwerk) der teilverfüllten Kammer abgelassen“, schreibt die BGE. Mit anderen Worten: Die verseuchte Lauge wird wie der Atommüll einfach „deponiert“ und vergessen.