Das Krokodil, das Schnabeltier oder der Ginkgobaum brachten Darwin ziemlich ins Grübeln. Widersprachen diese „lebenden Fossilien“ nicht seiner Evolutionstheorie, die doch davon ausgeht, dass jede Art sich weiterentwickelt, um stets bestmöglich an ihren Lebensraum angepasst zu sein?
Als lebendes Fossil wird eine Art bezeichnet, die sich über längere Zeiträume nicht verändert hat. Fossile Funde von Krokodilen, Pfeilschwanzkrebsen oder dem Ginkgo zeigen, dass diese Lebewesen – zumindest morphologisch gesehen – bereits vor Millionen von Jahren unverändert die Erde bevölkerten.
Seit 300 Millionen Jahren schon gibt es Ginkgogewächse. Einst fand sich dieser Baum über die ganze Erde verteilt. Dann aber verdrängten Eiszeiten den Ginkgo aus weiten Regionen. In China jedoch konnte dieses einzige noch lebende Bindeglied zwischen niederen und höheren Pflanzen überleben. Seit etwa 200 Jahren wird der Ginkgo wieder in andere Länder ausgeführt und angepflanzt.
Pfeilschwanzkrebse haben sich seit dem Devon, seit etwa 360 Millionen Jahren, kaum verändert. Fossile Funde weisen die selben Charakteristika auf, wie heute noch vor der nordamerikanischen Atlantikküste lebende Tiere.
Auch der Quastenflosser lebte bereits vor etwa 400 Millionen Jahren im Devon. Seine Lungen befähigten ihn dazu, Luftsauerstoff zu atmen, die kräftigen Flossen geben Anlass zu der Vermutung, dass sich aus Vorfahren des Quastenflossers die ersten Landlebewesen ableiteten. Eine Art der Quastenflosser, Latimeria chalumnae, hat bis heute überlebt. 1939 wurde der „Urzeit-Fisch“ per Zufall an der Küste vor Südafrika entdeckt.
Wie konnten einige Lebewesen so lange unverändert überleben? Darwin rettete seine Evolutionstheorie damals mit der Annahme, dass lebende Fossilien so perfekt an ihren Lebensraum angepasst waren, dass jede Änderung eine schlechtere Anpassung zur Folge gehabt hätte. Aber ist dies über Millionen von Jahren möglich? In dieser Zeitspanne erfährt nahezu jeder Lebensraum drastische Veränderungen. Das Klima wandelt sich, Eiszeiten kommen und gehen, Tiere und Pflanzen, die als Nahrung gedient haben, sterben aus, der Meeresspiegel steigt oder sinkt. Eine perfekt angepasste Art hätte solche Änderungen ihres Lebensraumes vermutlich nicht überlebt.
Vielleicht hatten einige der heute noch lebenden Tiere aus vergangenen Zeiten auch einfach Glück. Sie besetzten zur richtigen Zeit die richtige Nische im Ökosystem, wie etwa der Nautilus, der in der Tiefsee dem Massensterben am Ende der Kreidezeit entging. Auch der Quastenflosser bewohnt heute ein eng begrenztes Gebiet, ein verzweigtes Höhlensystem in etwa 300 Meter Tiefe. Andere Fische finden in dem planktonarmen Wasser nicht genügend Nahrung, daher lebt der Quastenflosser dort nahezu ohne Konkurrenz. Auch der Ginkgo wäre vielleicht schon ausgestorben, wäre er in China nicht mit Vorliebe in Tempelanlagen angepflanzt worden.
Dennoch bleiben viele Fragen im Ungewissen. Schließlich sind zahlreiche Tiere ausgestorben, die ebenso wie der Nautilus oder Quastenflosser eine unzugängliche Nische besetzt haben. Mit Sicherheit kann man nicht sagen, warum eine Art überlebt hat und eine andere nicht.
Stand: 12.04.2001