Zu einem Vorreiter in Sachen Freak Wave-Forschung hat sich mittlerweile die EU entwickelt. Vor einigen Jahren hat sie dazu das Vorzeigeprojekt MaxWave auf den Weg gebracht, an dem zehn Organisationen aus verschiedenen Ländern – darunter das GKSS Forschungszentrum in Geesthacht – beteiligt sind.
Vorrangiges Ziel der zahlreichen Einzelvorhaben ist es, die Existenz und die Häufigkeit von Riesenwellen auf hoher See zu untersuchen. Die Wissenschaftler wollen aber auch die Prozesse verstehen, die zu Freak Waves führen und Frühwarnsysteme entwickeln, um Menschen und Technik auf hoher See vor der Gewalt der Wellen zu schützen. Am Ende des Projektes sollen zudem konkrete und eindeutige Empfehlungen für die Planung und den Bau von Schiffen und Offshore-Anlagen aber auch für Küstenschutzeinrichtungen stehen, damit diese in Zukunft auch Freak Waves trotzen können.
Bisher werden Schiffe und Ölplattformen noch auf der Basis von Wellenhöhen geplant und gebaut, die weit unter dem Niveau der schlimmsten Riesenwellen liegen. Selbst der Germanische Lloyd, der vielleicht strengste und penibelste TÜV für Ozeanriesen kalkuliert mit Belastungen, die sich aus Wellenhöhen von nicht einmal 20 Meter ergeben. Die Stahlkonstruktionen des Schiffskörpers aber auch der Ladeluken können deshalb der Energie von 35 oder 40 Meter hohen Brechern oft nicht viel entgegen setzen. Ein bisschen vorsichtiger sind da schon seit Jahren die internationalen Ölmultis. Sie befestigen die untersten Ebenen ihrer Bohrplattformen immerhin in 35 Metern Höhe über dem Wasser und sind deshalb bereits heute gegen die meisten Riesenwellen gewappnet.
Trotzdem hat es auch auf Offshore-Anlagen bereits schwere Katastrophen durch Riesenwellen gegeben. So endete der 15. Februar 1982 für die vom Konzern Mobil Oil betriebene Ölplattform Ocean Ranger auf den Grand Banks von Neufundland mit einer Katastrophe. Eine gewaltige Riesenwelle zerfetzte an diesem Tag die Fenster des Kontrollraums der 170 Meilen von St. John’s gelegenen Bohrinsel und überflutete anschließend die Kommandozentrale. Wenig später kenterte die Plattform, sank und riss dabei alle 84 Mitglieder der Besatzung mit in den Tod.
Ein Schwerpunkt der Arbeit der Wissenschaftler von MaxWave ist der Agulhas Strom an der Südostküste Südafrikas. Um die Wechselwirkung zwischen Extremwellen und starken Meeresströmungen bei der Entstehung von Freak Waves näher zu untersuchen haben die GKSS-Forscher an Bord des Frachtschiffes „Grey Fox“ Wellenmessungen in Echtzeit durchgeführt. Zum wichtigsten Mosaikstein ihrer Tätigkeit wurde dabei das Wellenradar „WaMOS“ (Wave Monitoring System), das von der Firma OceanWaves in Zusammenarbeit mit dem GKSS entwickelt wurde. Mit diesem Gerät können größere Sequenzen von Radarbildern – bis zu 32 Aufnahmen in einer Minute sind möglich – erzeugt werden, die nach Auswertung wichtige Seegangsparameter wie Wellenhöhe, -frequenz, -verteilung und -richtung anzeigen. Auch bei dem Erkennen von Wellengruppen leistet WaMOS gute Arbeit.
Bei ihren Studien im Agulhas Strom haben die Wissenschaftler mithilfe von WaMOS deutliche Hinweise dafür gefunden, dass die dort vorherrschenden starken Strömungen tatsächlich zu der „Fokussierung und zum Aufsteilen von Wellen“ führen können, die der Mathematiker Marius Gerber von der Stellenbosch University in Südafrika bereits 1996 berechnet hatte. Die Maxwave-Forscher sind so auf dem besten Weg in den nächsten Jahren zumindest in einigen Regionen ein Frühwarnsystem für Freak Waves auf die Beine zu stellen. „In bestimmten Seegebieten lässt sich das Risiko für das Auftreten von einzelnen Riesenwellen bestimmen und entsprechende Warnungen können von den Wetterdiensten verbreitet werden. Dies wird im Einzelfall auch schon für das Gebiet des Agulhas Strom versucht.“ (GKSS Jahresbericht2001/2002).
Installiert beispielsweise an Bord eines Frachters könnte WaMOS aber schon heute dabei helfen, frühzeitig Extremwellen zu erkennen und Schiff und Mannschaft vor dem schlimmsten zu bewahren. Doch das Interesse der Schiffseigner an WaMOS ist bisher gering. Gerade mal eine Handvoll Wellenradare sind bisher an Bord von Carriern installiert. Trotz des mittlerweile bekannten Risikos durch Freak Waves ist vielen Eigentümern beim herrschenden Preiskampf auf dem Meer die Investition von knapp 60.000 Euro für das unter Umständen lebenrettende Gerät anscheinend zu hoch. Allein in Norwegen denkt man bereits heute darüber nach, das Wellenradar für alle Schiff in Zukunft verbindlich vorzuschreiben…
Stand: 04.11.2002