Sao Paulo wurde bereits 1554 als kleine Siedlung um ein Jesuitenkloster erbaut, doch die Stadtgründung erfolgte erst 1711. Lange Zeit war sie die Stadt der „Bandeirantes“, der so genannten „Bannerträger“, das heißt Sklavenjäger die auf Indianerfang gingen, und bis circa 1870 fristete Sao Paulo ein sehr bescheidenes Dasein. Zu dieser Zeit war die heutige Mega-City noch relativ klein und unbedeutend, vor allem auch gegenüber der damaligen Hauptstadt Salvador de Bahia und Rio der Janeiro. Zu Beginn verlief auch die Bevölkerungsentwicklung Sao Paulos schleppend, 1870 hatte die Stadt erst 30.000 Einwohner.
Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewann die Stadt mehr und mehr an Bedeutung und entwickelte sich zum Zentrum des internationalen Kaffeehandels. Auch die Einwohnerzahl stieg in dieser Zeit rapide auf 300.000 an. Basis für den Kaffeeanbau war die „terra roxa“, die fruchtbare rote Erde im Umland der Stadt, ebenso wie die geographisch günstige Lage auf einem Hochplateau in circa 800 Meter Höhe, die den Kaffee- und Baumwollanbau begünstigte. Durch systematisch strahlenförmig verlegte Eisenbahnlinien von den Hochebenen Sao Paulos bis zu den Zuflüssen des Rio Paraná und die räumliche Nähe zum Hafen Santos wurden günstige Transportmöglichkeiten geschaffen, die den Kaffeeboom noch weiter vorantrieben.
Dieser aufstrebende Wirtschaftszweig lockte in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts scharenweise europäische Immigranten in die Stadt, was eine Fülle an Arbeitskräften bedeutete und später einen Ausbau der städtischen Infrastruktur nach sich zog. Kurz nach dem Kaffeeboom begann eine rasante Industrialisierung, die Sao Paulo zum führenden Industrie- und Wirtschaftszentrums Lateinamerikas anwachsen ließ. Diese Tatsache führte wiederum zu einem, diesmal aber explosionsartigen und unkontrollierten, Stadtwachstum.
Die Einwanderer kamen nun größtenteils aus den unterentwickelten, trockenheitsgeplagten Gebieten im Nordosten Brasiliens. Dort hatten und haben heute noch Millionen von Menschen weder Land noch Arbeit und ihre letzte Hoffnung ist das Abwandern in die südlich gelegenen Millionenstädte. Dort angekommen landen sie dann meistens, ohne irgendeine Ausbildung und als Analphabeten – fast 20 Prozent der Bewohner Sao Paulos sind offiziell arbeitslos, jeder zehnte ist Analphabet -, in den zahlreichen Favelas und sorgen dafür, dass der Zustrom in diese nicht abreisst. Bereits um 1960 war Sao Paulo von der Einwohnerzahl her größer als Rio de Janeiro, und damit nach Mexiko-City und Buenos Aires, drittgrößte Metropole Lateinamerikas. Heute ist die Zunahme durch Immigration und die Abnahme durch Migration ausgeglichen. Trotzdem wächst Sao Paulo immernoch jährlich um 200.000 Menschen, allein durch das natürliche Wachstum. Aber die Zahl der Zuwanderer soll weiter stagnieren, denn nun wird Sao Paulo nicht mehr als das Paradies, sondern als die Hölle versprochen…
Stand: 19.05.2001