Klima

Der 100. Meridian bewegt sich

Wärmeres Klima drückt die westliche Trockenzone der USA gen Osten

Der 100. Meridian teilt die USA in den trockenen Westen und feuchten Osten. Der Klimawandel könnte die Trockengrenze aber bereits Richtung Osten (gepunktete Linie) verschoben haben. © Verändert aus Seager et al.

Trockenzone auf dem Vormarsch: Mitten durch die USA verläuft eine Linie und teilt das Land in den trockenen Westen und feuchten Osten – der 100. Meridian. Forscher haben nun anhand von Klimamodellen gezeigt, dass sich die Trockenzone in der Zukunft Richtung Osten ausbreiten wird. Umwelt und Landwirtschaft in dem Gebiet könnten sich dadurch grundlegend verändern, so ihre Prognose.

Im Jahr 1878 zog der Geologe und Entdecker John Wesley Powell eine Linie mitten durch die USA – den 100. Meridian. Dieser Längengrad spaltete die USA in zwei Zonen: den feuchten Osten und die trockenen Ebenen im Westen. Während der Meridian unsichtbar ist, sind die beiden Klimazonen auf der Karte ganz deutlich zu sehen und scheinen wie von einem Lineal gezogen zu sein. Dafür sind Windströmungen verantwortlich, die für viel Niederschlag im Osten sorgen, dem Westen aber Regen vorenthalten.

Der Klimagrenze auf der Spur

140 Jahre nach Powells Ost-West-Trennung schauen Wissenschaftler nun wieder auf die unsichtbare Linie. „Wir wollten wissen, ob diese Trennung wirklich besteht und ob sie die Besiedlung durch den Menschen beeinflusst hat“, sagt Seniorautor Richard Seager von der Columbia University in New York. Dafür analysierten die Forscher zunächst die Klimagrenze mit aktuellen Klimamodellen. Um den Einfluss auf den Menschen zu untersuchen, verglichen sie zudem die Infrastruktur und die Landwirtschaft auf beiden Seiten.

Klimawandel verschiebt die Linie

Schon Powell wusste, dass die Rocky Mountains teilweise für die Klimagrenze am 100. Meridian verantwortlich sind. Sie fangen die vom Pazifik kommende Feuchtigkeit ab und dienen als Regenbarriere. Seager und seine Kollegen entdeckten nun zwei weitere Faktoren: Im Winter bringen Stürme reichlich Feuchtigkeit aus dem Atlantik in die östlichen Ebenen und den Südosten, sie schaffen es jedoch nicht bis in den Westen. Im Sommer zieht Feuchtigkeit aus dem Golf von Mexiko gen Norden, sie erreicht aber wieder nur den Osten und nicht den Westen.

Die Trockengrenze scheint nun – bedingt durch den Klimawandel – immer weiter Richtung Osten zu wandern, wie die Forscher berichten. Dafür machen sie zwei Phänomene verantwortlich: Im Norden bleiben die Niederschläge seit den 1980er Jahren zwar unverändert, dafür steigen die Temperaturen dort aber an und mehr Wasser verdunstet. Weiter im Süden verschieben sich die Windmuster, wodurch weniger Regen fällt. Tatsächlich weisen die Daten darauf hin, dass die statistische Klimagrenze bereits um über 200 Kilometer gewandert ist und jetzt nahe am 98. Längengrad liegt.

Weniger Wasser, weniger Höfe

Die Klimagrenze am 100. Meridian prägt aber nicht nur die Landschaft, sondern auch die Gesellschaft. Im trockenen Westen fällt die Bevölkerungsdichte scharf ab: Hier stehen weniger Häuser, es verlaufen weniger Straßen. Aufgrund der relativen Wasserknappheit gibt es auch weniger Farmen, die aber größer sind, um noch rentabel zu sein. Trockenresistenter Weizen beherrscht die weiten Ebenen des Westens, während im Osten 70 Prozent der Fläche durch wasserintensiven Mais besetzt ist.

Könnte die voranschreitende Klimagrenze damit auch das Leben der Bevölkerung umwälzen, die sich bereits an die beiden Klimazonen angepasst hat? Den Forschern zufolge ist die Datenlage dafür noch nicht eindeutig, denn alljährliche Wetterschwankungen könnten die Daten verwischen. Die bisherigen Veränderungen seien auch noch zu gering, um jetzt schon die Landwirtschaft über große Flächen hinweg zu beeinflussen. Seager und seine Kollegen sind jedoch davon überzeugt, dass die ostwärts schreitende Trockenheit noch große Veränderungen im 21. Jahrhundert bringen wird.

Ihre Vorhersage: Auch im Osten werden die Höfe wachsen und die Bauern von Mais auf ein resistenteres Getreide umstellen müssen. Große Landstriche könnten sogar ganz unbrauchbar für den Pflanzenanbau werden und sich in Graslandschaft umwandeln. (Earth Interactions, 2018; doi: 10.1175/EI-D-17-0011.1)

(The Earth Institute at Columbia University, 17.04.2018 – YBR)

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