Ob sich bestimmte Wetterextreme verschlimmert haben und wie stark der Einfluss des Klimawandels darauf ist, untersucht die Attributionsforschung – Attribution bedeutet im Lateinischen so viel wie Zuschreibung. Auf diesem Gebiet hat sich gerade in den letzten Jahren viel getan:
„Die Wissenschaft hat in jüngerer Zeit Methoden entwickelt, mit denen sich konkrete Zusammenhänge zwischen der Erderhitzung und einzelnen Extremwetterereignissen herausarbeiten lassen“, erklären Ben Clarke und Friederike Otto von der World Weather Attribution Initiative (WWAI). „Inzwischen können Forscherinnen und Forscher berechnen, wie viel wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher ein Ereignis durch den Klimawandel geworden ist, oder wie viel stärker oder schwächer es aufgrund der globalen Erwärmung ausfällt.“
Erster Schritt: Die Definition
Der erste Schritt zur Attribution eines Extremereignisses wie beispielsweise einer Hitzewelle oder eines Starkregens besteht darin, das Ereignis anhand der beobachteten Merkmale zu definieren: Welche meteorologischen Parameter betrachte ich, in welchem Zeitraum und welchem räumlichen Maßstab? „Das ist immer eine der schwierigsten Aufgaben“, erklärt Friederike Otto, die zurzeit am Imperial College London forscht.
Am Beispiel der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 erläutert sie: „Nehmen wir die Regenfälle innerhalb eines Tages als Grundlage für unseren Vergleich, oder die Menge, die innerhalb von zwei Tagen gefallen ist? Wie groß ist die Region, für die wir uns die Wetterdaten anschauen? Gibt es vielleicht lokale Gegebenheiten, die dazu geführt haben, dass es zu so großen Schäden kam?“ Auch die Jahreszeit kann für die Attribution bedeutsam sein. So macht es für die Einordnung einen Unterschied, ob eine Überschwemmung im Frühjahr während der Schneeschmelze stattfindet – was häufiger der Fall ist – oder aber im Spätsommer oder Herbst nach einer trockenen Saison.
Zweiter Schritt: Die historischen Vergleichsdaten
Erst wenn die Forschenden alle Parameter des Ereignisses so gut wie möglich erfasst und definiert haben, beginnt die Einordnung. Ein erster Schritt ist der Vergleich mit historischen Daten: Wissenschaftler analysieren Zeitreihen meteorologischer Messdaten und ermitteln mithilfe statistischer Methoden die Wiederkehr-Wahrscheinlichkeit eines Extremereignisses. Indem sie dabei verschiedene Zeitabschnitte getrennt betrachten, können sie feststellen, ob und wie sich die Häufigkeit des Ereignisses verändert hat.
Allerdings ist dies nicht ganz einfach. Zum einen müssen die Forschenden die für die Verteilung und Art der Parameter passenden statistischen Analysemethoden wählen. Außerdem ist es bei der Betrachtung der Zeitabschnitte wichtig, auch mehrjährige natürliche Klimaschwankungen wie beispielsweise einen El Nino mit einzubeziehen.
So zeigte sich beispielsweise bei der Analyse einer Dürre in Äthiopien im Jahr 2015, dass ein Extrem dieses Ausmaßes sich in diesem Gebiet nur alle rund 100 Jahre wiederholt. Berücksichtigten die Klimaforscher jedoch, dass im Jahr 2015 ein El Nino herrschte, stieg die Wahrscheinlichkeit für eine solche Dürre auf eine alle 80 Jahre. „Das bedeutet, dass diese Dürre unter Einfluss des El Nino weniger extrem, aber noch immer außergewöhnlich war“, erklären Sjoukje Philip vom Königlich Niederländischen Meteorologieinstitut und ihre Kollegen in einem empfehlenswerten Fachartikel zur Methodik der Attribution (ASCMO, doi: 10.5194/ascmo-6-177-2020).
Wiederkehrperiode, Wahrscheinlichkeiten und Ausreißer
Als Ergebnis dieses Schritts erhält man im Idealfall die Information, wie oft ein Wetterextrem wie beispielsweise der Starkregen bei der Flutkatastrophe im Ahrtal oder die Hitzewelle im Juli 2022 in Großbritannien typischerweise vorkommt – und ob das individuelle Ereignis zu dieser Wiederkehrperiode passt. Zeigen die Daten beispielsweise, dass Hitzewellen wie die aktuelle in den letzten Jahrzehnten immer häufiger geworden sind, könnte dies auf einen externen Treiber hindeuten – einen Einfluss, der die normalen, von internen Faktoren gesteuerten Wiederkehrperioden verkürzt.
Tatsächlich lässt sich dies für einige Wettextreme wie Hitzewellen sehr klar aus den Wetterdaten herauslesen. Im aktuellen Weltklimabericht des IPCC wird es als praktisch sicher eingestuft, dass die Häufigkeit und Intensität von heißen Temperaturextremen auf globaler Skala zugenommen haben. So sind extreme Hitzetage heute 2,8-mal häufiger als noch 1850. 80 Prozent der untersuchten Regionen zeigen zudem eine deutliche Entwicklung in dieser Richtung. Auch für Starkregen zeigt sich eine deutliche Zunahme, wenn auch in weniger Regionen.
Allerdings gibt es auch Wetterextreme, bei denen die Analysen weniger eindeutig ausfallen – weil diese besonders komplex sind oder auch, weil sie so selten vorkommen, dass die Wetterdaten nicht weit genug zurückreichen. Und selbst wenn ein Trend klar erkennbar ist, stellt sich nun die Frage, ob diese Zunahme auf den Klimawandel zurückzuführen ist oder vielleicht doch etwas anderes. Dies wird im nächsten Schritt untersucht.