Blickt man von oben auf den Boden herab, scheint er nicht besonders einladend. Doch tatsächlich befinden sich im Erdreich mehr Lebewesen als Menschen auf der Welt. Von Regenwürmern bis hin zu Millionen von Kleinstlebewesen tummelt sich eine Vielzahl an Organismen in dieser dünnen Haut der Erdkruste. Die Böden zählen somit zu den am dichtesten besiedelten Lebensräumen der Erde.
Die Größten des Erdreichs
Zu den größten Bewohnern des Erdreichs, der sogenannten Megafauna, zählen der Maulwurf und Wühlmäuse (Arvicolinae). Diese Säugetiere graben sich mit ihren Vordergliedmaßen durch den Boden. Mit Hilfe ihrer vielen Tastsinneszellen an der Schnauze sowie ihrem Geruchs- und Gehörsinn können sie auch in der unterirdischen Dunkelheit Nahrung finden.
Durch das Graben von Gängen und Nistplätzen durchmischen diese Höhlenbauer den Boden und verfrachten Unterbodenmaterial nach oben. Damit begünstigen sie die Durchlüftung der Erde.
Würmer als Ingenieure
Für uns schnell ersichtlich sind auch typische kriechende Bodenbewohner der sogenannten Makrofauna wie die zahlreichen Regenwürmer. Rund einhundert Würmer befinden sich durchschnittlich in einem fruchtbaren Kubikmeter Erde. Während sie im 19. Jahrhundert noch oft als Schädlinge betrachtet wurden, beschrieb der Evolutionsbiologe Charles Darwin im Jahr 1881 in seinem Werk „Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer“ erstmals, dass Regenwürmer die Bodenbeschaffenheit positiv beeinflussen können.
Das Wissen um die Nützlichkeit von Regenwürmern für den Ackerbau verbreitete sich danach rasch. Seither gelten sie als ebenso fleißige Arbeiter im Boden wie die großen Tunnelgräber. Die Regenwürmer graben bis in mehrere Metern Tiefe Gänge ins Erdreich und fressen sich förmlich durch den Untergrund. Dabei wälzen sie den Boden um und lockern ihn somit auf.
Bodenbearbeiter am Werk
Außerdem transportieren Regenwürmer Luft und organisches Material wie Blätter, Gräser und abgestorbene Pflanzenteile von der Oberfläche nach unten, wo sie die Nahrung verdauen. Durch den Verdauungsvorgang werden Tonteilchen, Huminstoffe und andere organische Teilchen fest miteinander zu sogenannten Ton-Humus-Komplexen vermengt. Durch die Losung dieser Komplexe verbessern sie schließlich sowohl die Struktur als auch den Nährstoffgehalt des Bodens.
Nebenbei legen die kleinen Helfer ein weit verzweigtes bis zu 400 Meter langes Leitungsnetz für das Regenwasser an: Die Gänge und Hohlräume sorgen dafür, dass überschüssiges Wasser rasch in tiefere Bodenschichten abfließen kann. Den Pflanzenwurzeln erleichtern die fertigen Bahnen zudem
das Eindringen in tiefere Bodenschichten.
Neben den Würmern sind auch Asseln (Isopoda) Teil der makroskopischen Abbautruppe für organische Substanz im Boden. Vor allem an der Bodenoberfläche kommen die drei bis 45 Millimeter großen Krebstiere vor. Dort fressen sie mit ihren Mundwerkzeugen Falllaub und Totholz an und wandeln sie dann im Darm zu Humus um.
Fleißige Mesofauna
Ähnliche Ingenieursleistungen vollbringen die kleinen Verwandten der Regenwürmer – die Enchytraeiden aus der Klasse der Gürtelwürmer, die zur sogenannten Mesofauna gehören. Sie sind im Gegensatz zu den bis zu 30 Zentimeter langen Regenwürmern nur vier bis 40 Millimeter lang, dafür aber noch häufiger im Boden anzutreffen. Im Gegensatz zu den Regenwürmern fühlen sie sich auch im sauren Milieu wie unter dichtem Nadelwald wohl. Dort legen sie feine Gangsysteme an und produzieren durch ihre Losung ebenfalls die wertvollen Ton-Humus-Komplexe.
Auch sehr effizient arbeiten die nur bis zu 17 Millimeter großen Springschwänze (Collembola). Diese Insekten gehören ebenso zur Mesofauna und halten sich in den Bodenporen bis in einige Meter Tiefe sowie an verrottendem Pflanzenmaterial auf. Indem sie die Pflanzen zernagen, übernehmen auch sie eine ganz zentrale Aufgabe im Zersetzungsprojekt.
Kleine Tiere ganz groß
Noch winziger sind Erdbewohner wie Rädertierchen (Rotifera) und Fadenwürmer (Nematoden). Allein in einem Teelöffel Boden leben schon mehrere hundert dieser Kleinstlebewesen. Sie ernähren sich von Pflanzenteilen und Algen, Bakterien oder Pilzen. Auch Milben, Geißeltiere oder Wurzelfüßer sind für die Humusbildung sehr wichtig, indem sie kostenlos jeglichen organischen Abfall recyceln und ihn in Nährstoffe und Humus umwandeln. Außerdem sind sie die Beute der größeren Bodenlebewesen und bilden zusammen mit ihnen eine große Fressgemeinschaft.
Zur Mikrofauna gehören außerdem eukaryotische Einzeller wie beispielsweise Amöben, die ebenso ihre Arbeit im Boden leisten: Sie verwerten zum Beispiel kleine Pflanzenreste wie Wurzeln.
Vielfalt hängt von Bodenart ab
Die Vielfalt der Bodentiere ist von Umweltbedingungen wie zum Beispiel der Pflanzendecke oder auch dem Gestein unter der Erde abhängig. Artenvielfalt und die Häufigkeit der Spezies lassen daher Rückschlüsse auf die Bodeneigenschaften zu – Bodentiere sind somit Indikatoren für bestimmte Bodenmerkmale.
So kommen in sauren Böden beispielsweise vermehrt Mückenlarven vor. In kalkreichen Böden dominieren hingegen Schnecken und Schnakenlarven bevorzugen nasse Böden. Bekannt ist auch, dass zum Beispiel Regenwürmer sensibel auf Schwermetalle, Änderungen im Säurehaushalt oder auf Schadstoffen reagieren, da sie durch ihre Schleimschicht in direktem Austausch mit der Erde stehen und Boden auch direkt in ihren Verdauungstrakt aufnehmen.
Aber nicht alle Lebewesen im Erdreich sind auf bestimmte Bodenbedingungen angewiesen: So kommen zum Beispiel die unterschiedlichen Arten von Nematoden sowohl in arktischen Böden als auch in den Tropen vor. Im Boden herrscht außerdem weniger Konkurrenzdruck: Statt Verdrängungsprozessen finden daher eher Umverteilungen, Verschiebungen im Artenspektrum und verstärkt Nischenbildung statt.
Generell gilt aber: Je mehr Organismen in einer Bodenart gut überleben können, desto fruchtbarer wird er auch. Eine größere Vielfalt an Milben, Faden- und Regenwürmern, Gliedertieren und Co. ermöglicht zum Beispiel, dass mehr unterschiedliche Pflanzen wachsen.
Aber nicht nur die kleinen Tiere, sondern noch viel winzigere Organismen tragen dazu bei…