11. Januar 2007. Ein Bergbunker bei Colorado Springs in den USA. Im Hauptquartier des amerikanischen Weltraumüberwachungssystems ertönt ein Alarm: Plötzlich ist der chinesische Wettersatellit Feng Yun 1C, 1999 gestartet und bereits seit einiger Zeit ausgemustert, von den Radarbildschirmen verschwunden. Er umkreiste die Erde bisher auf einem polaren Orbit in rund 850 Kilometern Höhe, jetzt allerdings finden sich an seiner Position nur noch rund 40 Fragmente und eine sich ausbreitende Wolke von Trümmerteilchen. Hektische Betriebsamkeit bricht aus, selbst das Weiße Haus wird alarmiert.
Abschuss mit fatalen Folgen
Wenig später stellt sich heraus, dass der alternde Wettersatellit abgeschossen wurde – von China selbst. Schon seit längerer Zeit hat das chinesische Militär mit Satellitenabwehrsystemen experimentiert und einige bis dato erfolglose Tests mit entsprechenden Raketen durchgeführt. Jetzt hat ihr Antisatellitensystem offenbar endlich funktioniert. Allerdings mit fatalen Folgen: Denn das Ereignis löst nicht nur heftige Reaktionen und Proteste auf dem politischen Parkett aus, besonders seitens der Amerikaner, die eine Bedrohung für ihre Vormachtstellung im All fürchten.
Weitaus schlimmer ist das, was seither nicht nur metaphorisch, sondern ganz real in der Luft hängt: die Trümmerreste des abgeschossenen Satelliten. Schon wenige Tage nach dem Abschuss registriert das amerikanische Überwachungsnetzwerk eine Trümmerwolke, die von weniger als 200 Kilometern Höhe bis in mehr als 3.850 Kilometer Höhe reicht und sich damit weit über den Lower Earth Orbit hinaus ausgebreitet hat. Sprungartig steigt die Population der per Radar nachweisbaren Trümmerobjekte ab zehn Zentimeter Größe um 20 Prozent an, die der ein-Zentimeter-Objekte um geschätzte 35.000 Teile.
Selbstreinigung versagt
Besonders fatal an der Sache: Der Großteil der Bruchstücke fliegt auf Höhe des Ursprungsorbits des Satelliten, in rund 850 Kilometern Höhe. „Das bedeutet, dass diese Trümmerteile sehr langlebig sein werden“, erklärt NASA-Weltraumschrott-Experte Nicholas Johnson. Denn aus Modellen und Simulationen ist bekannt, dass in niedrigen Umlaufbahnen die dünnen Atmosphärenreste einen Abbremseffekt auf alle Objekte im Orbit ausüben. Im Laufe der Zeit werden diese immer langsamer, sinken dabei tiefer und treten irgendwann in die Atmosphäre ein, wo sie verglühen.
Bei Bahnen von 200 bis 400 Kilometern Höhe kann dies schon innerhalb von Wochen oder Monaten geschehen, wenn kein Antrieb dafür sorgt, dass sie angehoben werden, wie beispielsweise bei der Internationalen Raumstation ISS der Fall. Bei Bahnen über 800 Kilometern Höhe ist die Gashülle der Erde jedoch so dünn, dass dieser „Selbstreinigungseffekt“ Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende braucht, um ein Objekt abzubremsen und verglühen zu lassen.
„Schlimmste Fragmentierung in 50 Jahren Raumfahrt“
„Jedes dieser Trümmer hat das Potenzial, die Mission eines operativen Raumfahrzeugs im niedrigen Erdorbit ernsthaft zu stören oder zu beenden“, so Johnson kurz nach dem Ereignis. „Diese Satellitenzerstörung repräsentiert die weitreichendste und schlimmste Fragmentierung in 50 Jahren der Raumfahrt.“ Noch schärfer formuliert es Jeffrey Lewis vom Belfer Center for Science and International Affairs der Harvard Universität. „Dies ist eine enorme Sauerei, was die Chinesen produziert haben. Es gibt keine Entschuldigung für eine so leichtsinnige, dumme und sinnlose Entscheidung.“ Denn die neu hinzu gekommenen Trümmer gefährden die Weltraumoperationen sämtlicher Raumfahrtnationen – China selbst mit eingeschlossen.
Nadja Podbregar
Stand: 03.09.2010