Vor wenigen Wochen hat die Raumsonde New Horizons einen weiteren Rekord gebrochen und eine zuvor nie erreichte Leistung erbracht. Denn sie hat aus ihrer Position jenseits von Arrokoths Umlaufbahn zwei nahe Fixsterne angepeilt. Dadurch wurde die erste interplanetare Parallaxenmessung ermöglicht.
Subtile Verschiebung
Die Basis dafür legte New Horizons am 22. und 23. April 2020, als sie fern von Erde und Sonne Aufnahmen zweier Sterne machte, die unserem Sonnensystem relativ nah stehen. Neben unserem nächsten Nachbarstern Proxima Centauri war dies der Stern Wolf 359 im Sternbild des Löwen. Der Clou dabei: Wenn man nun die Bilder der Sonde mit denen vergleicht, die zeitgleich von der Erde aus gemacht wurden, dann kann man eine subtile Verschiebung dieser beiden Sterne vor den Hintergrundsternen zwischen beiden Aufnahmen erkennen.
Astronomen bezeichnen diese perspektivische Verschiebung als Parallaxeneffekt. Wir können ihn im Alltag beobachten, wenn wir den Daumen an unserem ausgestreckten Arm abwechselnd nur mit dem linken oder rechten Auge betrachten. Der Daumen scheint dann vor dem Hintergrund seitlich zu springen. Über das Ausmaß dieses „Sprungs“ und den Abstand unsere beiden Augen voneinander kann man berechnen, wie weit der Daumen entfernt ist – und genau das macht den Parallaxeneffekt für die Astronomie so interessant.
„Das trigonometrische Parallaxenverfahren spielte und spielt in der Astronomie eine entscheidende Rolle, denn damit lässt sich gut die Entfernung naher Sterne in einem Umkreis von etwa 100 Lichtjahren bestimmen“, erläutert Manfred Gaida vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Dieses Verfahren zur stellaren Entfernungsbestimmung ist gleichsam die erste Stufe auf der kosmischen Entfernungsleiter.“ Je weiter die beiden Beobachtungspunkte dabei voneinander entfernt sind, desto besser gelingt diese Entfernungsbestimmung.
16 Bogensekunden für Proxima Centauri
Genau dies ist die Besonderheit der Parallaxenmessung durch New Horizons. Denn sie war zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme rund 47 astronomische Einheiten von der Erde entfernt und damit weiter als jede andere Parallaxenkamera zuvor. Dadurch „springen“ Proxima Centauri und Wolf 359 bei wechselnder Betrachtung der Erd- und Raumsonden-Aufnahmen deutlich vor den Fixsternen im Hintergrund hin und her. Die mithilfe der Raumsonde ermittelte Parallaxenverschiebung liegt für Wolf 359 bei 16 Bogensekunden und für Proxima Centauri bei 32 Bogensekunden.
Diese Werte haben zwar die bisherige Entfernungsangaben für diese beiden Sternen nicht verändert oder präzisiert. Dennoch ermöglichte dieses Experiment eine bislang einzigartige und zuvor nicht mögliche Visualisierung des stellaren Parallaxeneffekts. Langfristig eröffnen sich für solche Messungen auch durchaus praktische Anwendungsmöglichkeiten – beispielsweise bei der Navigation auf interstellaren Reisen.
Mit einem Sternkatalog an Bord eines Raumschiffes, der als Referenz die erdbasierten Sternenpositionen enthält, könnten Raumsonden anhand solcher Messungen sicher durch interstellare Weiten navigieren, wie einst die Seefahrer anhand der Gestirne über unbekannte Meere. Clyde Tombaugh, der US-amerikanische Astronom, der Pluto im Jahr 1930 entdeckte und von dessen Asche der Sonde etwas mitgegeben wurde, wäre über die Verwirklichung solcher Pläne wahrscheinlich sehr angetan. Die kleine Raumsonde New Horizons hat zweifellos ihrem Namen alle Ehre gemacht und uns allen wahrhaft neue Horizonte eröffnet.
DLR/NPO