Der Erfolg des griechischen Sphärensystems ist ein gutes Beispiel für die Schwierigkeit des Menschen, etablierte Denksysteme zu durchbrechen. Das geozentrische Weltbild und die Kugelschalen waren so fest mit der Philosophie und der Weltsicht damaliger Denker verzahnt, dass auch verbesserte Beobachtungsapparaturen, die nach und nach weitere Unstimmigkeiten zutage brachten, nicht zur Aufgabe dieses Modells führten. Stattdessen versuchte man, das bestehende Weltbild durch Erweiterungen an die neuen Beobachtungen anzupassen – mit eher geringem Erfolg.
Besonders „verdienstreich“ waren hierbei etwa Eudoxos von Knidos um 370 vor Christus, Hipparchos von Nikäa und ihr Nachfahre, der durch sein Gesamtwerk der antiken Astronomie berühmt gewordene Claudius Ptolemäus. Eudoxos etwa verkomplizierte das Sphärensystem, indem er jedem Planeten sowie Sonne und Mond ein ganzes eigenes Sphärensystem – anstelle jeweils einer einzigen Sphäre – zuordnete. Auch Hipparchos und Ptolemäus trugen nicht zu einem Umdenken bei, denn auch sie erweiterten das Modell nur um neue Beobachtungen und Erkenntnisse anstatt es zu überdenken.
Von der Armillarsphäre zum Astrolabium
Von den Mesopotamiern hatten die Griechen bereits ein wichtiges Instrument zur Winkelmessung übernommen: Eine Armillarsphäre besteht aus mehreren ineinander und gegeneinander drehbaren Metallringen, die gemeinsam eine Kugel ergeben. In der damals verwendeten Armillarssphäre befindet sich die Erde im Zentrum der Kugel, die drehbaren Ringe hingegen repräsentieren die Ekliptik, die Wendekreise, den Äquator oder den Horizont. Ebenfalls als Ring repräsentiert war ein Meridian – die gedachte Verbindung beider Pole. Werden die Ringe so eingestellt, dass sie für den jeweiligen Standort des Betrachters passen, lässt sich an ihnen ablesen, wie hoch beispielsweise die Sonne an einem bestimmten Tag über den Horizont steigen wird und wo sich bestimmte Sternbilder befinden.
Der größte Verdienst, den die antiken Griechen technisch in der Astronomie leisteten, war die Weiterentwicklung der Armillarsphäre zum Astrolabium. Am gravierendsten unterscheiden sich die beiden Instrumente darin, dass die zur Messung benötigten Skalen – Äquator, Wendekreis, etc. – im Astrolabium nicht mehr als Ringe einer Kugel repräsentiert sind, sondern in die Ebene projiziert werden. So befinden sich auch die Ekliptik und der Horizont als Kreise auf einer festen Scheibe, mit häufig je nach Standort austauschbaren Einlegescheiben. Der Beobachter muss sich hier nicht mehr gedanklich auf die bei der Armillarsphäre noch im Zentrum befindliche Erde versetzen. Er kann mit den richtigen Einstellungen der Kreise zueinander – z.B. dem Datum – direkt von seinem Standort aus den Himmel anpeilen.
Die Funktionen des Geräts sind vielfältig, was auch seine Verwendung als Sextant bis in die frühe Neuzeit erklärt. So können etwa unter Einstellung des aktuell sichtbaren Himmels auf den drehbaren Scheiben Sterne identifiziert werden. Auch die Ortszeit sowie die Himmelsrichtung lassen sich mit dem Astrolabium bestimmten, womit es als Orientierungshilfe funktioniert.
Hipparchos Sternenvereichnis und die Präzession der Erde
Mit Hilfe des Astrolabium konnte Hipparchos das erste Fixstern-Verzeichnis zusammenstellen, denn er konnte so ohne großen Aufwand, die Fixsternlisten früherer Astronomen mit den von ihm erstellten vergleichen. Dabei entdeckte er auch die Präzession – ein „Taumeln“ der Erdachse im Verhältnis zum Sternenhintergrund. Die leicht schräg stehende Achse verändert dabei im Laufe von Jahrtausenden allmählich ihre Position, sie eiert gewissermaßen um einen gedachten Fixpunkt herum. In einem Zeitraum von 25.700 bis 25.800 Jahren vollführt sie so einen Kreis.
Bemerkbar macht sich dies bei der Beobachtung des Nachthimmels: Denn im Laufe dieser Zeit verschiebt sich allmählich die Lage des sogenannten Frühlingspunkts. Die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche ereignet sich heute, wenn die Sonne im Sternbild Fische steht – am 21. März. Bei der Herbst-Tagundnachtgleiche hingegen steht sie in der Jungfrau. Doch nicht nur über das Jahr hinweg wandert der Sonnenstand durch die Sternenbilder im Tierkreis: So durchlief die Sonne vor 2.000 Jahren bei der Frühjahrs- Tagundnachtgleiche noch das Sternbild Widder, woher der Frühlingspunkt auch seinen zweiten Namen – Widderpunkt – hat. Damals war die Erdachse im Verhältnis zur Ekliptik etwas anders geneigt. In 6.450 Jahren wird der Frühlingspunkt sich wieder verschoben haben. Die Sonne wird dann im Sternbild Schütze stehen.
Zementiert für 1.300 Jahre
Das Fixsternverzeichnis, die komplexe Sphärentheorie sowie alle weiteren astronomischen Kenntnisse über die Berechnung von Planetenkonstellationen, Mond- und Sonnenfinsternissen fasste schließlich Claudius Ptolemäus in seinem Buch „mathematices syntaxeos biblia 7“ zusammen. Als Hauptwerk der antiken Astronomie sollte es das geozentrische Weltbild, welches auch zu seiner Zeit durchaus nicht unangefochten war, zementieren.
Auch antike Alternativdenker wie Aristachos von Samos und Hypathia von Alexandria – die bereits um 400 nach Christus ein heliozentrisches Weltbild postulierte – konnten sich gegen die aufkommende Macht der Kirche nicht durchsetzen. So dauerte es noch fast 1.300 Jahre, bis die Sonne auch in unserem Weltbild im Mittelpunkt unseres Planetensystems stehen konnte
Kathrin Bernard
Stand: 02.02.2013