Das Corpus Delicti ist ein unscheinbarer Flakon aus dem Besitz der berühmten Pharaonin Hatschepsut. Sie hatte als eine der wenigen weiblichen Herrscherinnen gut zwei Jahrzehnte lang das Sagen über das Reich am Nil. Doch 1452 vor Christus starb sie – noch vor ihrem 50. Lebensjahr. Woran, darüber wurde lange rätselt.
Im Jahr 2007 dann entdeckten Archäologen im Tal der Könige eine weibliche Mumie aus der Ära der Hatschepsut. Umfeld und Aussehen deuteten darauf hin, dass es sich um eine Pharaonin handelte – höchstwahrscheinlich Hatschepsut, wie DNA-Vergleiche nahelegten. Und diese enthüllten: Die Pharaonin litt offenbar an fortgeschrittenem Knochenkrebs und an Diabetes. Aber waren diese Krankheiten auch die Ursache ihres Todes?
Spurensuche im Flakon
Eine überraschende Antwort auf diese Frage haben Pharmazeuten Helmut Wiedenfeld und seine Kollegen von der Universität Bonn gefunden – in einem zugestöpselten Kosmetik-Flakon der Hatschepsut. Um mehr über den Inhalt des rund 15 Zentimeter hohen Gefäßes zu erfahren, entnahmen die Forscher mit Hilfe eines Endoskops eine Probe der eingetrockneten Substanz am Boden des Gefäßes und analysierten diese.
Schnell wurde klar, dass es sich nicht um Parfum handeln konnte, wie aufgrund der Flakonform zunächst angenommen. Denn in dem Gemisch waren große Mengen Palm- und Muskatnussöl enthalten. „Ich habe gleich gedacht, dass sich keiner so viel Fett ins Gesicht schmiert – dann sieht man doch aus wie eine Speckschwarte“, sagt Wiedenfeld.
Hautcreme statt Parfum
Stattdessen könnte der Inhalt des Flakons einem medizinischen Zweck gedient haben: „Wir fanden viele ungesättigte Fettsäuren, die bei Hautkrankheiten Linderung verschaffen“, berichtet der Pharmazeut. Auch Spuren von Teer und Bitumen waren in Hatschepsuts Creme enthalten– sie wurden früher gegen den Juckreiz bei chronischen Hautkrankheiten eingesetzt. Tatsächlich ist bekannt, dass es in der Familie von Hatschepsut einige Fälle von juckenden Hauterkrankungen gab – wahrscheinlich einer erblich bedingten Schuppenflechte.
Was die Pharaonin aber nicht wusste: Einige Teer-Komponenten sind krebserregend, dazu gehört vor allem das Benzo(a)pyren, ein aus mehreren Kohlenstoffringen bestehender aromatischer Kohlenwasserstoff. „Benzo(a)pyren ist eine der gefährlichsten krebserregenden Substanzen überhaupt“, erklärt Wiedenfeld. Aber ausgerechnet diesen Inhaltsstoff fanden die Forscher in reichlichen Mengen in Hatschepsuts Fläschchen
Schleichende Kontamination
Hat sich Hatschepsut mit ihrer Hautsalbe möglicherweise buchstäblich zu Tode gecremt? „Vieles spricht dafür“, sagt Wiedenfeld. „Wenn man sich vorstellt, dass die Pharaonin chronisch hautkrank war und ihr die Salbe kurzfristig Linderung verschaffte, dann hat sie sich im Laufe einiger Jahre einem großen Risiko ausgesetzt.“ Hatschepsut wurde zwar ihr lästiges Jucken los, zahlte dafür aber einen enorm hohen Preis: Sie erkrankte an Krebs.
Dass sie nicht die einzige Krebspatientin dieser Ära war, das belegte 2014 das Skelett eines vor 3.200 Jahre gestorbenen Ägypters. Der junge Mann litt wahrscheinlich an einem Weichteiltumor, der in die Knochen streute. Die Metastasen hinterließen dort kleine, bis heute erhaltene Läsionen – den bisher ältesten Krebsfall der Geschichte.
Nadja Podbregar
Stand: 13.02.2015