Raumfahrt

Der große Blackout

Ein Stromausfall als Psycho-Test

„Houston, we have a problem“ – Bei der legendären Apollo-13 Mission begleitete die Bodenstation die Astronauten nahezu in Echtzeit durch die Krise und die nötigen Reparaturmaßnahmen. An Bord einer Marsmission wäre dies nicht möglich. Denn über weite Strecken der Reise verhindert die starke Verzögerung der Funksignale jede Soforthilfe. Die Reaktion auf mögliche Hilferufe käme frühestens eine Dreiviertelstunde später an. Die Astronauten sind daher weitestgehend auf sich allein gestellt. Und wie schon bei der legendären Apollo-13 kann es auch bei einem simulierten Raumflug wie dem Mars-500 zu unvorhergesehenen Ereignissen kommen.

Kein Licht, keine Ventilation, kaum Wasser - der Stromausfall legt nahezu alle wichtigen Funktionen der Module lahm. Nur mit Taschenlampen bewaffnet suchen die "Astronauten" nach der Ursache. © ESA

Der Stromausfall

1.Dezember 2010, ein scheinbar ganz normaler Tag an Bord des Mars-500-„Raumschiffs“. In einer kurzen Mittagspause zwischen zwei Experimentblöcken hat sich ESA-Astronaut Romain Charles in seine Kabine zurückgezogen um ein wenig Russisch zu lernen. Dann aber passiert es: „Ich war noch in meinem Raum, als gegen 13:00 Uhr plötzlich der Strom ausfiel und alles um uns herum stoppte, nur die Notbeleuchtung und die Notebooks im Akkubetrieb blieben an“, erzählt Bordingenieur Charles. Sofort sammeln sich die Besatzungsmitglieder in der Küche um die Situation zu besprechen und Notfallmaßnahmen zu planen. „Während die anderen erst mal Taschenlampen holten, kontrollierten Alexey und ich alle elektrischen Einheiten des Moduls. Doch alle Unterbrecher waren in Ordnung.”

Kurz darauf meldet sich das Kontrollzentrum und teilt der Crew mit, dass der außerhalb der Module liegende Haupttransformator in Brand geraten und ausgefallen ist. Reparaturen daran seien zwar begonnen worden, eine Dauer dafür könne aber noch nicht angegeben werden.

Während des Blackouts: alle rücken zusammen © ESA

Bedrückende Stille im dunklen Modul

„Um unsere Situation zu verstehen, muss man sich ein fast apokalyptisches Szenario vorstellen: Wir sechs Besatzungsmitglieder verloren in den dunklen Modulen mit einer bedrückenden Stille um uns herum“, so Charles. „Das freundliche Brummen der Ventilation hörte zur gleichen Zeit auf wie die Elektrizität. Wir konnten nicht mehr als zwei Liter aus unserer Wasserleitung zapfen, weil der durch Pumpen erzeugte Druck abgefallen war. Unsere Reaktion war es, an dem einzigen Ort, der noch ein Licht hatte, eng zusammenzurücken: der Küche.“ Da auch Mikrowelle und Herd nicht arbeiten, machen sich die Astronauten ein notdürftiges Mahl aus Keksen, Müsli und Saft.

Gegen 16:00 Uhr meldet sich die Bodenstation erneut und teilt mit, dass eine Notstromversorgung aufgebaut wurde, die immerhin den großen Tiefkühlschrank im Vorratsmodul versorgen kann. Sofort beginnt die Mars-500-Crew, den Inhalt zweier kleiner Kühlschränke in diesen einzig funktionierenden umzuschichten. Als gegen 17:00 Uhr auch die Schwachstromversorgung im Rest des Versorgungsmoduls wieder läuft, siedeln Charles und seine Kollegen in den Sportraum um und bereiten sich später dort wieder eine Notmahlzeit aus Brot, Keksen und Käse zu.

„Wir blieben ziemlich ruhig während der ganzen Situation, aber dennoch erhielten wir immer wieder Funksprüche der Bodenstation, die uns um Geduld bat“, so Charles. Als sich gegen Mitternacht noch immer nichts Substanzielles geändert hat, gehen bis auf Alexey Sergevich, der Nachtdienst hat, alle Astronauten ins Bett. Erst am Vormittag des nächsten Tages normalisiert sich die Stromversorgung wieder.

Vorratsraum mit dem Durchgang zu den Tiefkühlschränken. Beim Stromausfall musste ein Teil der gefrorenen Lebensmittel umgelagert werden. Im Vordergrund weitere die per Barcode markierte Vorräte. © ESA

Nur eine Übung…

Gegen 16:00 Uhr am 2. Dezember meldet sich erneut die Bodenstation, diesmal mit einer Videobotschaft: „Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir, dass das 27 Stunden dauernde Ereignis eine Übung war!“, erzählt Romain Charles. „Obwohl wir einige Zeit brauchten, um diese Information zu verdauen, waren wir im Nachhinein doch ganz froh über das unerwartete Ereignis. Es war eine neue Situation und eine Unterbrechung der monotonen Tage.“

Tatsächlich ist diese „Katastrophe“ bewusst von Missionsverantwortlichen geplant worden. Ziel war es, die Reaktionen der Astronauten zu testen und festzustellen, ob ihre Gemeinschaft solchen Krisen gewachsen war. Denn funktioniert ein Team nicht, kann dies das Ende einer Raumfahrtmission bedeuten…

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Nadja Podbregar
Stand: 21.01.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Mars-500: Im „Container“ zum Roten Planeten
520 Tage Trockenübung für Langzeitmissionen im Weltraum

Mars-500 im Überblick
Besatzung und Ablauf der Mission

Marsmission ohne Mars
Was ist Mars-500?

Alltag im „Container“
Ein normaler Tag im Leben eines Mars-500 Astronauten

Der große Blackout
Ein Stromausfall als Psycho-Test

Stressfaktor Mitmensch
Die „menschliche Komponente“ bei Langzeitmissionen

Die Sache mit den Frauen…
Gemischte oder rein männliche Crews?

Mit Defibrillator und iPod-Touch
Notfalltraining und kognitive Tests im Mars-500 Container

Wenn Männer ihre „Regel“ haben
Was die Urinproben der Astronauten verraten

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Mars-500 im Internet

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