Das deutsche Konzept der Kreislaufwirtschaft ist ein Exportschlager. Der Grüne Punkt als Sammelsystem für Verpackungen ist mittlerweile in 25 Länder exportiert worden. Seitdem leuchten die Gelben Tonnen nicht nur in grauen deutschen Großstadtstraßen, sondern auch in der Mittelmeersonne Spaniens, in slowakischen Hinterhöfen und vor Blockhütten in Norwegen.
Eine Umweltidee der 1980-er Jahre hat Schule gemacht. Seit seiner Einführung regelt der Grüne Punkt 1990 erstmals, wer die Verantwortung für einen Großteil des Mülls übernimmt. Die Verpackungsverordnung verpflichtet die Hersteller grundsätzlich dazu, ihre Produkte wieder zurück zu nehmen, um den Verpackungsmüll zu verringern und möglichst umweltgerecht zu entsorgen. Hersteller und Händler haben sich jedoch von der direkten Rücknahmeverpflichtung befreit, indem sie die „Duales System Deutschland AG“ (DSD) gründeten, und diese beauftragten, den Verpackungsmüll für sie zu sammeln und zu verwerten. Für ihre Dienste erhob die DSD von allen Herstellern Lizenzgebühren, die bis 2003 nicht der Preisregulierung des öffentlichen Marktes unterworfen waren. Eine gesetzliche Monopolstellung verhinderte zwar jede Konkurrenz, aber einen Gewinn durfte das Unternehmen bis 2005 auch nicht erwirtschaften.
Die Hersteller gaben die gesetzliche Verpflichtung an die DSD weiter, und diese an den Endverbraucher. Und mit der Pflicht auch einen Teil der Kosten. Jeder Verbraucher bezahlt bei den Produkten des Grünen Punktes einen Aufschlag von beispielsweise 0,7 Cent pro Joghurtbecher, damit dieser nach Gebrauch eingesammelt und wiederverwertet wird.
Trittbrettfahrer und Anti-Sammler
Immer mehr Händler gehen daher dazu über, besonders bei den Hausmarken nicht am Dualen System teilzunehmen. Die Shampoo-Flaschen von Rossmann tragen genauso wenig den grünen Punkt wie die Gesichtscreme von dm. Sie nutzen die gesetzliche Möglichkeit, die Entsorgung des Verpackungsmülls selbst zu organisieren. Demnach können die Verbraucher die Verpackungen in den Verkaufsfilialen abgeben, von wo sie dem Kunststoff-Recycling zugeführt werden. In der Realität jedoch landet die Shampoo-Flasche zwischen den grünen Punkten im gelben Sack – ohne, dass die notwendige Lizenz bezahlt wurde. Kaum ein Kunde bringt die leere Verpackung zurück in das Geschäft. Eine Aktion des Naturschutzbundes Deutschland zeigte sogar, dass die Filialen überhaupt nicht auf eine Rücknahme der Verpackungen vorbereitet sind.
Den Händlern ist das bekannt, denn um die gesetzlich vorgeschriebene Quote der Verpackungen recyceln zu können, kaufen sie Kunststoffmüll fertig gesammelt, gewaschen und geschnürt aus anderen Quellen an. Trotzdem machen die Händler Gewinn: Ihre Lösung kostet sie rund ein Drittel weniger als die entsprechenden Lizenzgebühren an das Duale System Deutschland.
Dem Unternehmen bleibt der „unbezahlte“ Kunststoffmüll. Ist die Shampoo-Flasche ohne Lizenz zum Recyceln einmal in der gelben Tonne, wird sie auch zusammen mit dem Joghurtbecher verwertet. Da es keine Möglichkeit gibt, die Trittbrettfahrer auszusortieren, bezahlt der DSD mit dem Lizenzgeld auch deren Sammlung und Verwertung.
Den DSD wurmt das, weil er die Entsorger nach gesammelter Müllmenge bezahlt, inklusive der Trittbrettfahrer. Dem Entsorger ist es egal, weil er lediglich eine größere Menge zu bearbeiten hat, für die er auch zusätzliche Einnahmen erhält. Den Verbraucher aber freut es, denn er wirft einfach jede Verpackung in den gelben Sack – ob mit oder ohne grünen Punkt.
Ein System, ein Anbieter, ein Preis – erst seit 2003 ist die Entsorgung von Verpackungen auch für andere Unternehmen ein offener Markt. Doch neben der DSD konnten sich großflächig bisher nur die Landbell AG und INTERSEROH als Alternativen für die Verpackungsentsorgung etablieren. Doch sind ihre Angebote immer noch abhängig von ehemaligen Monopolisten: Wie bei der Privatisierung des Telefonmarktes, müssen die Unternehmen dem DSD eine Gebühr zahlen, um die Container und Tonnen leeren zu dürfen.
Stand: 09.06.2006