Das schleimige Monster kommt aus der Kanalisation hervor gekrochen und beginnt sein Unwesen. Mit einer Mischung aus Ekel und Faszination können die Kinozuschauer kaum den Blick von der Leinwand wenden. Auch von Hagens Körperwelten-Ausstellung hätte vermutlich nicht denselben Besucheransturm erlebt, wenn die Exponate einfach nur aus Plastik nachgeformt gewesen und niemals mit echten Leichen in Berührung gekommen wären.
Was eklig ist, übt gleichzeitig auch eine gewisse Faszination aus. Während Kleinkinder ihre Exkremente noch als Geschenk betrachten und sie stolz den Eltern vorführen, haben wir in der Regel spätestens mit fünf Jahren gelernt, dass Kot und Urin eklig sind und weder berührt noch ausgiebig thematisiert werden.
Das war nicht immer so: Louis XIV trug angeblich eine Windel, weil es sich als Sonnenkönig nicht schickte, hastig in Richtung Klo zu eilen. Die anderen Gäste entleerten sich derweil mitunter in die Ecken des Saales. Versailles hat damals vermutlich nicht gerade nach Veilchen gerochen. Urin wurde bei afrikanischen Völkern gegen Insektenstiche aufgetragen und in arktischen Gegenden statt Wasser zum Waschen verwendet. Zahlreiche anthropologische Studien belegen zudem einen häufigen Zusammenhang zwischen rituellen Handlungen und der Verwendung von Exkrementen. Schon bei den Ägyptern galt schließlich der kotfressende Skarabäus als heilig.
Sind wir also Opfer einer übertrieben hygienischen Erziehung, die sämtliche Ausscheidungen des Körpers zu Unrecht als ekelhaft verbannt? Ganz zu Unrecht sicher nicht: bevor Ignaz Philipp Semmelweiss sich für mehr Hygiene aussprach, starben zahlreiche Frauen im Kindbett – heute unvorstellbar. Durch ein gewisses Maß an Hygiene wird so die Ausbreitung zahlreicher Krankheiten erfolgreich unterbunden, denn auch wenn das Essen des eigenen Kots medizinisch unbedenklich ist, sind nicht entsorgte Fäkalien ein Tummelplatz für eine Vielzahl von Infektionskrankheiten.
Ungefährlich, ja sogar nützlich, ist auch der eigene Urin – zumindest wenn keine Erkrankung der Harnwege oder der Niere vorliegt. Getrunken, eingerieben, als Wickel oder beim Gurgeln soll Eigenurin wahre Wunder wirken bei Halsschmerzen, Neurodermitis, Warzen, Entzündungen oder Grippe. Einige der 2.000 Inhaltsstoffe des Urins werden auch in der Schulmedizin verwendet. Urea (Harnstoff) wird – synthetisch hergestellt – als entzündungshemmendes Mittel in Hautsalben verwendet. Östrogen aus dem Urin trächtiger Stuten findet in Hormonpräparaten zur Behandlung von Wechseljahrenbeschwerden Verwendung.
Das Trinken des eigenen Urins erfordert jedoch häufig die Überwindung einer Ekel-Hemmschwelle. In Deutschland machte die Journalistin Carmen Thomas die Urintherapie 1993 populär. Über 100.000 Zuschriften und über eine Million verkaufte Exemplare ihrer Bücher brachte ihr das Thema ein. Die Faszination am Ekel leistete zu diesem Erfolg sicherlich einen Beitrag…
Stand: 13.05.2005