Das Meereis ist trotz seiner lebensfeindlichen Umweltbedingungen Lebensraum für unzählige Organismen. Dabei besiedeln die Bewohner vor allem die Laugenkanäle und größeren Zwischenräume, einige sind auch mit der Unterseite des Eises assoziiert. Aufgrund der geringen Größe dieser Bereiche herrschen vor allem einzellige Lebewesen und kleinere Mehrzeller wie Würmer und Ruderfußkrebse im Eis vor.
Die weitaus artenreichste Gruppe der Meereisbewohner bilden die Kieselalgen oder Diatomeen. Allein im antarktischen Packeis kommen 200 bis 300 verschiedene Arten vor, in der Arktis nochmal rund 300. In dicht besiedelten Abschnitten des Eises können in einem Liter geschmolzenem Eis mehrere 100 Millionen Zellen enthalten sein. Insgesamt kennen Botaniker 6.000 bis 10.000 heute noch lebende Arten. Die meisten dieser Algen sind einzellig, können sich aber zu langen, makroskopisch sichtbaren Bändern zusammenfinden. Fast alle Arten sind mikroskopisch klein, zwischen einem und 100 Mikrometer, nur einige marine Formen können bis zu zwei Millimeter groß werden. Da sie alle Photosynthese betreiben, sich also autotroph ernähren, werden sie zu den Pflanzen gerechnet.
Ihr wichtigstes und namensgebendes Merkmal ist die kieselsäurehaltige Schale. Diese Schale ist der Grund, warum man heute noch viele fossile Diatomeen findet. Sterben die Algen ab, so sinken die dauerhaften Schalen auf den Meeresgrund und lagern sich dort als Sediment ab, das als Kieselgur bekannt ist. Diese Kieselgurschichten können Mächtigkeiten von 100 Metern erreichen. Die Schale besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen, die wie Deckel und Boden einer Schachtel aufeinander passen. Die Baustoffe der Schalen sind vor allem Polysaccharide und Proteine, in speziellen membranumschlossenen Vesikeln wird unterhalb der Zelloberfläche Siliziumoxid deponiert, um es anschließend in die Schale einzulagern und komplexe Strukturen auszubilden.
Je nach Art sind die Schalen von einem ganz bestimmten Muster aus Rillen und Poren durchbrochen, damit der Kontakt zwischen Zellinnerem und Umgebung gewährleistet wird. Diese Strukturen werden zur Artbestimmung herangezogen, da jede Art ihr eigenes Muster aus Poren, Rillen und Wülsten hat. Damit stützt sich die Systematik der Diatomeen auf die Architektur der Schale. Da die Schalenstruktur aber auch von Umweltbedingungen wie Temperatur oder Salzgehalt abhängen können, gibt es bei den Kieselalgen viele Unstimmigkeiten unter den Botanikern, was die Einordnung mancher Formen in das systematische System betrifft.
Um ein möglichst geringes spezifisches Gewicht zu haben, enthalten viele Diatomeen Öle als Reservestoffe und große Vakuolen. Dadurch werden sie leichter und können sich an der Meeresoberfläche halten, wo sie dann beim Gefrieren des Wassers in das Meereis eingeschlossen werden. Zusätzlich kann man bei manchen Arten Schwebefortsätze erkennen, die ebenfalls dem Auftrieb dienen.
Stand: 27.12.2000