Im Januar 1802 beginnt für Humboldt eine seiner erfolgreichsten Reisen. Das Ziel: Ecuador. Er schreibt seinem Bruder Wilhelm: „Die hohen schneebedeckten Gipfel, die tätigen Vulkane und schrecklichen Erdbeben (…), ihre Vegetation und die Sitten ihrer Bewohner machen die Gegend zu der interessantesten der Welt.“ Die Vulkane sind es dann auch, die Humboldt am intensivsten studiert. Er will die vorherrschende Vorstellung des Neptunismus überprüfen, nach dem Vulkanismus durch unterirdische Kohlebrände hervorgerufen wird und Vulkane nicht durch gemeinsame Magma-Kammern verbunden sind.
In Quito findet Humboldt bereits Hinweise, die die Theorie ins Wanken bringen. 1808 veröffentlicht er in seinen „Ansichten der Natur“: „Auch ist das Hochland von Quito ein einziger vulkanischer Herd. Das unterirdische Feuer bricht bald aus der einen, bald aus der anderen Öffnung aus, die man sich als abgesonderte Vulkane zu betrachten gewöhnt hat. … Selbst die Erdbeben liefern merkwürdige Beweise von der Existenz unterirdischer Verbindungen.“
Humboldt im Höhenrausch
Nahe Quito liegt majestätisch der erloschene Vulkan Chimborazo. Er gilt damals mit 6.310 Metern als höchster Berg der Welt. Trotz drei auslaugenden Jahren der Expedition will Alexander von Humboldt den Vulkan unbedingt besteigen. Mit steigender Höhe macht er Beobachtungen zur Vegetation und misst unter schwerster körperlicher Belastung Klimadaten: „Wir trugen kurze Stiefel, einfache Kleidung, keine Handschuhe, sie sind hier kaum bekannt (…) Wir litten rasend unter Atemnot, und noch schlimmer quälte uns der Brechreiz. (…) Außerdem bluteten wir aus dem Zahnfleisch, aus den Lippen, das Weiß unserer Augäpfel war blutunterlaufen (…) Wir fühlten Kopfschwäche, einen dauernden, in unserer Situation sehr gefährlichen Schwindel.“ Obwohl der 33-Jährige die Besteigung etwa 400 Meter unter dem Gipfel abbrechen muss, ist das die höchste Stelle, die damals je ein Mensch erreicht hatte.
Auf seiner ganzen Reise schließt Humboldt bei seiner Theorie der Erde die Betrachtung des Menschen immer mit ein. Die Erde ist für ihn eine Summe von Wechselspielen zwischen Mensch und Natur: Eine Auffassung von Ökologie weit vor ihrer Zeit. Besonders in Südamerika ist er fasziniert von den Indianerstämmen und ihrer Kultur. Er studiert ihre Sprachen und Gewohnheiten, skizziert ihr Aussehen und ihre Häuser. In Ecuador erforscht er vor allem, wie die Einwohner mit der ständigen Bedrohung der Vulkane leben. Darüber hinaus vervollständigt er in Ecuador seine archäologischen Untersuchungen über die Vorfahren der Indios, die Inkas.
Pflanzen im Mittelpunkt
An den Vulkanen Chimborazo und Cotopaxi sowie an den Anden vervollständigt Humboldt seine Beobachtungen zum Pflanzenbewuchs an Abhängen von Gebirgen. Die Kartierungen unterschiedlicher Pflanzenarten ergänzt er jeweils mit wissenschaftlichen Daten des Fundortes. Himmelsrichtung, Luftdruck und Höhe notiert er und sogar die Luftfeuchtigkeit misst er mit einem Haarhygromter: Ein eingespanntes Menschenhaar dehnt sich bei feuchter Luft aus und zieht sich bei trockener Luft zusammen.
Seine Forschungsergebnisse führen zu der berühmten Abbildung „Naturgemälde der Anden“, das die Vegetationsstufen, nach Höhe gegliedert, im Andengebirge zeigt. Die Pflanzenkartierungen während seinen Exkursionen und die Forschungsergebnisse anderer Botaniker stellt Humboldt zu einer Karte zusammen. Die Abbildung: „Umrisse zur Pflanzengeographie“ im Berghaus-Atlas zeigt nicht nur die weltweite Verteilung von Pflanzenarten, sondern auch die Unterschiede der Vegetation in den jeweiligen Gebirgen der Kontinente.