Der „Hormonschock“

Die WHI-Studie und das Risiko der Hormonersatztherapie

Die Nachricht war ein Schock und sorgte weltweit für Diskussionen: Die weltgrößte Studie zur Hormonersatztherapie bei Frauen musste im Mai 2002 vorzeitig abgebrochen werden. Der Grund: Die Mediziner hielten das Brustkrebs- und Thromboserisiko für die Probandinnen für so groß, dass sie eine Weiterführung nicht verantworten wollten.

Östrogentest im Labor © NCI

Mehr als 26.000 Frauen hatten sich an der zweiteiligen Studie beteiligt, die vom nationalen Institut für Frauengesundheit (WHI) der USA durchgeführt wurde. Untersucht werden sollten dabei in erster Linie die positiven Effekte von Hormongaben nach den Wechseljahren, wie Claude Lenfant, Direktor des amerikanischen Forschungsinstituts für Herz-Kreislauf- Erkrankungen erklärt: „Wir haben lange nach der Antwort auf die Frage gesucht, ob eine postmenopausale Hormontherapie Herzkrankheiten verhindern kann und welche Risiken damit verbunden sind.“

Alarmierende Ergebnisse…

Im ersten Teil der Studie erhielten 16.000 amerikanische Frauen zwischen 50 und 79 Jahren täglich entweder ein Kombinationspräparat aus Östrogen und Progesteron oder aber ein Placebo. Im Durchschnitt 5,2 Jahre lang lief alles nach Plan, dann schlugen die betreuenden Ärzte in den rund teilnehmenden 40 Kliniken Alarm: Anstatt der erhofften positiven Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem hatten die Hormone nicht nur genau den gegenteiligen Effekt, sondern darüberhinaus noch weitere Nebenwirkungen:

„Die Ergebnisse sagen uns, dass von 10.000 Frauen nach den Wechseljahren, die Östrogen und Progestin nehmen, im Vergleich zu Frauen, die keine Hormone bekommen, acht mehr an Brustkrebs erkranken, sieben mehr einen Herzinfarkt erleiden, acht mehr einen Schlaganfall und 18 von ihnen Thrombosen bekommen“, erklärt Jacques Rossouw, Leiter des WHI, die enttäuschenden Resultate. Für Brustkrebs und Herzinfarkte entsprach dies einem Anstieg um gut ein Viertel, für Schlaganfall sogar um mehr als 40 Prozent.

Aber das sollte noch nicht alles sein: Denn im Februar 2004 wurde auch der zweite Teil der Studie wegen unvertretbarer Risiken abgebrochen. Beteiligt waren mehr als 10.000 Frauen jenseits der Wechseljahre, denen die Gebärmutter entfernt worden war. Die Hälfte von ihnen nahm täglich eine Tablette mit 0,6 Milligramm Östrogenen, die andere Hälfte ein Placebo. Und auch hier resultierte die fünf bis sechs Jahre dauernde Hormontherapie in einem alarmierend gestiegenen Risiko für Schlaganfälle und Thrombosen. Das Brustkrebsrisiko erhöhte sich dagegen nicht signifikant.

…weltweite Folgen

Angesichts der Tatsache, das weltweit Millionen von Frauen seit Jahren und Jahrzehnten Hormone nehmen, um Wechseljahresbeschwerden zu lindern oder einer Osteoporose vorzubeugen, waren Panikreaktionen nach Veröffentlichung dieser Ergebnisse fast vorprogrammiert. Allein in den USA führten im Jahr 2003 mehr als zehn Millionen Frauen eine Hormonersatztherapie nach dem Muster einer dieser beiden Kombinationen durch. Viele von ihnen setzten überstürzt ihre Präparate ab oder stürmten Hilfe suchend die Praxen ihrer Frauenärzte.

Auch in Deutschland sorgte die Studie für Unruhe. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfahl eine Hormonersatztherapie nur noch bei starken Wechseljahresbeschwerden und dann nur in möglichst geringer Dosis und Dauer. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Bruno Müller-Oerlinghausen, warnte vor einem „naiven und sorglosen Umgang mit einer als natürlich angesehenen Arznei“ und sprach von „enormen Risiken eines weltweit verabreichten Medikaments“.

Die Schlussfolgerungen der meisten Ärzte fasst Martina Dören, Leiterin des Forschungszentrums Frauengesundheit des Berliner Universitätsklinikums Charité so zusammen: „Natürliche Vorgänge bedürfen im Prinzip keiner medizinischen Behandlung, starke Beschwerden im Zusammenhang mit den Wechseljahren, die die Lebensqualität einschränken, unter Umständen schon.“

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Stand: 19.11.2004

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Inhalt des Dossiers

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Der „Hormonschock“
Die WHI-Studie und das Risiko der Hormonersatztherapie

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