Den perfekten Klang sucht auch Russell Johnson. Seit 1946 ist der mittlerweile über 80jährige in den Konzerthallen und Festspielhäusern dieser Welt unterwegs, plant Umbauten und Rekonstruktionen oder denkt sich völlig neue Konzepte aus. Oft gerät er mit Architekten aneinander. Doch Johnsons Passion sind Säle. Und Akustik. Und so setzt er sich häufig durch bei den Auftraggebern, die ihn, den Raum-Guru, den „Magic Johnson“, als Berater zu sich geholt haben.
Johnson betreibt eine der renommiertesten Firmen der Welt, die sich der Konstruktion und Ausstattung von Konzertsälen widmen. Das CBSO Centre in Birmingham gehört zu den Kunden, die neue Bartok-Konzerthalle in Budapest, die Konzerthalle in Singapore oder das Opernhaus in St. Petersburg.
Ein Konzerthaus für Luzern
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Auch die Stadt Luzern ließ im Jahr 1998 ein neues Opernhaus bauen: das KKL, das Kultur- und Kongresszentrum Luzern – und holte Johnson. Seitdem kommt der Klangmeister weiterhin regelmäßig hierher, um den großen Konzertsaal immer wieder zu justieren. Denn kein Saal dieser Welt klingt in jeder Situation gleich. Ob Oper mit Orchester, Kammerkonzert, Liederabend oder Streichkonzert. Die Musik selbst verändert den Saal, füllt ihn mal weniger aus, mal stärker. Dazu das Publikum: nicht immer sind die Ränge voll, mal ist es unruhig mal nicht, die Abendgarderobe ist im Winter eine andere als im Sommer. Auf all diese Feinheiten muss sich ein perfekter Saal einstellen können.
Das Vorbild alter Säle
Denn Töne können sich penetrant wichtig machen, zu wenig Durchsetzungskraft haben, ungewollte Echos hervorrufen oder einfach ungehört verschwinden. Johnson weiß, wie Akustik funktioniert und wie gute Musikhäuser klingen müssen. Er hat die alterwürdigen unter ihnen studiert, den Wiener Musikvereinssaal oder die Bostons Symphany Hall. Auf diese Vorbilder setzt er eher als auf Messverfahren, die die Akustik zwar berechnen können, aber doch nie mit der Intuition arbeiten, die ein Musikliebhaber hat. Wie ein Schuhkarton müssen Säle aussehen, schmal, lang und sehr hoch. Denn die nah beieinander stehenden Seitenwände reflektieren den Schall zum Ohr der Zuhörer. Ist der Saal zu breit, verliert sich der Klang.
Alte Konzertsäle haben noch etwas gemeinsam: die Schnörkel an der Wand. Doch diese haben nicht nur eine ästhetische Funktion. Vor allem sollen die Putten, Weinreben, Blumen und Füllhörner den Schall verteilen. Der Kitsch dienst als Schalldiffusor. In Luzern sträubte sich der Architekt gegen derlei Zierrat. Und setzte sich durch. Neben vier Balkonen schmücken nun zahlreiche Gipsplatten die Wände, in verschiedenen Größen und Winkeln, um den Eigenschaften aller Tonhöhen gerecht zu werden.
Die kleinen Tricks des Klang-Gurus
Dazu hat Johnson das Konzerthaus mit allerlei Erfindungen ausgestattet, die den Saal an die unterschiedlichen Anforderungen anpassen können. Zu den kleineren gehören ferngesteuerte Vorhänge im Saal und hinter der Bühne, die die Absorption des Publikums imitieren, wenn die Musiker proben.
Das Canopy ist ein höhenverstellbarer Baldachin aus Holz, der über der Bühne hängt. Er verkleinert oder vergrößert den Raum über der Bühne. Hängt er tief, werden viele Wellen auf die Bühne reflektiert, hängt er weiter oben verlieren sich die Schallwellen im größeren Raum. So kann der Bühnenraum der Größe des Orchesters angepasst werden. Auch die Bühne selbst ist im Ganzen oder in einzelnen Segmenten verstellbar, um einzelne Instrumentengruppen hervorzuheben oder eher zu dämpfen.
„Mehr Hall, bitte!“
Auf das Resonanzkammersystem hinter der Bühne und den Balkonen ist Johnson besonders stolz. Ein Drittel des eigentlichen Raumes kann dem Saal durch drehbare Türen hinzugefügt werden. Sind die Türen weit geöffnet, macht sich ein Hauch von Kathedrale breit durch den stärkeren Hall. Rückt ein großes Orchester mit vielen Musikern an, bleiben die Türen geöffnet, doch Stoffbahnen in den Türen nehmen dem Raum den Hall.
Obwohl „Magic Johnson“ nie ganz zufrieden ist und immer wieder an feineren Abstimmungsmöglichkeiten feilt, hat er in Luzern offensichtlich alles richtig gemacht. Daniel Barenboim kommentierte den Neubau: „Ich mag die Berliner Philharmonie, aber das ist der viel bessere Saal.“ Und Kent Nagano meinte: „Wie ein Ferrari wenn man bisher Volkswagen gefahren ist.“
Stand: 02.03.2007