Die starke Wechselwirkung ist die vielleicht fundamentalste aller Grundkräfte. Denn sie ist der Kleber, der die Kernbausteine im Atomkern zusammenhält. Dabei hat sie eine doppelte Wirkung: Zum einen verhindert sie, dass sich die positiv geladenen Protonen im Atomkern gegenseitig abstoßen und macht so den Atomkern überhaupt erst möglich. Zum anderen jedoch ist sie auch die Kraft, durch die die Nukleonen überhaupt erst entstehen.
Ein „Gummiband “ aus Gluonen
Die starke Wechselwirkung ist eine der vier Grundkräfte der Physik und in erster Linie im Inneren der Kernbausteine aktiv. Dort binden ihre Trägerteilchen, die Gluonen, die drei Quarks zusammen, aus denen ein Proton oder ein Neutron bestehen. Der Theorie der Quantenchromodynamik zufolge können Gluonen acht verschiedene „Farbladungen“ tragen und diese untereinander und mit den Quarks austauschen. Dies erzeugt den „Kleber“, der die Elementarteilchen zusammenhält.
Anders als bei anderen Grundkräften wird die starke Wechselwirkung zwischen den Quarks jedoch mit zunehmender Entfernung nicht geringer – im Gegenteil: Wie bei einem gedehnten Gummiband steigt die Spannung mit dem Abstand der Teilchen sogar noch an. Dies macht die Dreier-Bindung der Quarks in den Kernbausteinen so stabil, dass das Proton oder Neutron unter normalen Umständen nahezu unteilbar sind. Um sie in ihre Bestandteile – Quarks und Gluonen – zu zerlegen, sind ähnliche Bedingungen wie in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall nötig.
Warum Quarks nie einzeln vorkommen
Künstlich lässt sich ein solches Quark-Gluon-Plasma nur in den leistungsstärksten Teilchenbeschleunigern wie dem Large Hadron Collider (LHC) am Forschungszentrum CERN in der Schweiz oder dem Relativistic Heavy Ion Colider (RHIC) in den USA erzeugen – und auch dann nur für winzige Bruchteile einer Sekunde. Die Experimente legen jedoch nahe, dass die Quarks selbst im Quark-Gluon-Plasma nicht komplett von den Gluonen getrennt sind. Auch isolierte Quarks kommen nicht vor.
Kernphysiker erklären dies mit einer besonderen Eigenheit der starken Wechselwirkung und der für sie typischen Farbladung: Nach der Theorie der Quantenchromodynamik kann es nur Teilchen mit neutralen Farbladungen geben. Farbneutral ist jedoch nur ein Ensemble aus drei Quarks und ihren Gluonen wie in den Baryonen Proton und Neutron oder aber ein Meson aus einem Quark und einem Antiquark. Nur bei diesen Kombinationen gleichen sich die Farbladungen aus.
Ein einzelnes Quark aus einem Kernbaustein oder einem anderen Teilchen herauszulösen, ist daher unmöglich. Zum einen erfordert es enorme Energien, verbundene Quarks überhaupt so weit auseinander zu bringen. Zum anderen setzt das Reißen des Gluonen-„Gummibands“ so viel Energie frei, dass dies sofort wieder zur Bildung von Zweier- oder Dreier-Quarkteilchen führt.
Was passiert im Neutronenstern?
Umgekehrt kann die starke Wechselwirkung bei extremer Kompression aber auch abstoßend wirken, wie Physiker im Jahr 2020 beim Beschuss schwerer Ionen mit Elektronen entdeckt haben. Dabei entstehen kurzzeitig Bedingungen, wie sie wahrscheinlich im Zentrum von Neutronensternen herrschen – ultradichten Relikten, die nach dem Supernova-Kollaps massereicher Sterne übrigbleiben. „Bisher nahm man an, dass diese Systeme so dicht sind, dass sie als Suppe aus Quarks und Gluonen anzusehen sind“, erklärt Or Hen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Doch ihre Experimente sprechen dafür, dass dem nicht so ist. Stattdessen bleiben selbst unter diesen Extrembedingungen gewisse Assoziationen zwischen den Quarks erhalten. „Wir haben festgestellt, dass die Protonen und Neutronen selbst bei den höchsten Dichten ihre Identitäten behalten und nicht zu diesem Sack voller Quarks werden“, so Hen. „Die Kerne von Neutronensternen könnten demnach weit einfacher sein als bisher gedacht. Das ist eine riesige Überraschung.“
Nukleonen-Bindung und Kernzerfall
Die bindende Wirkung der Gluonen ist sogar stark genug, um über die Grenzen eines Protons oder Neutrons hinaus zu wirken – erst dies macht Atomkerne möglich. Denn normalerweise müssten sich die positiv geladenen Protonen gegenseitig abstoßen und den Kern auseinandersprengen. Doch die Reichweite der starken Wechselwirkung ist gerade groß genug, um diese Abstoßung der Protonen auszugleichen.
Bei geringen Abständen von weniger als 2,5 Femtometern – wie bei benachbarten Protonen – übertrifft diese sogenannte Restwechselwirkung die Abstoßung und bewirkt dadurch sogar eine Anziehung. Dies stabilisiert den Atomkern und ermöglicht beispielsweise die Bildung der kurzlebigen Protonenpaare und Heliumkerne im Atomkern.
Wenn der Atomkern jedoch größer wird und immer mehr Protonen und Neutronen dazukommen, werden die Abstände zwischen den Nukleonen größer. Dadurch nimmt die bindende Kraft der Restwechselwirkung nimmt ab. Dies erklärt, warum schwere Elemente und Isotope radioaktiv sind: Ihre Atomkerne sind nur relativ lose gebunden, so dass es immer wieder zum Zerfall und der Abspaltung von Kernteilchen kommt.