In der medizinischen Forschung ist sie Standard, sie gilt als Basis objektiver Wirkungsbewertung und für die Zulassung konventioneller Arzneimittel wird sie gefordert: die Placebo-Studie. Kein Arzneimittel kommt bei uns auf den Markt, ohne nicht bewiesen zu haben, dass es signifikant besser wirkt als ein den Probanden verabreichtes Scheinmedikament. Die Homöopathie kennt ein solches Zulassungsverfahren jedoch nicht.
Stattdessen erklärt der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ): „Wir halten die homöopathische Arzneimittelprüfung für ein wesentlich feineres Instrument zur Ermittlung von Arzneisymptomen als es die derzeit üblichen klinischen Prüfungen in der klinischen Pharmakologie sind.“ Andere, wie Friedrich Dellmour vom europäischen Instititut für Homöopathie, formulieren es noch drastischer: „Placebokontrollierte Studien sind für die Homöopathie kaum geeignet, weil sie auf die Kriterien der klinischen Pharmakologie ausgerichtet sind und die ganzheitlichen Prinzipien und autoregulativen Wirkungen der Homöopathie nicht berücksichtigen.“
Weil sie mit dieser Ansicht nicht die einzigen sind, waren Placebostudien für homöopathische Präparate lange Zeit rar. Das allerdings hat sich in den letzen Jahren geändert – und für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Denn die Meinungen darüber, was genau diese Studien über die Wirksamkeit der Homöopathie aussagen, gehen weit auseinander. Nicht nur, dass jede Seite jeweils „passende“ Studien aus dem Hut zieht, um ihre Position zu stützen, selbst die Auslegung ein- und derselben Studie fällt häufig erstaunlich unterschiedlich aus. So im Fall gleich zweier Metastudien, die 1997 und 2005 im Fachmagazin „Lancet“ unter dem Titel „Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects?” erschienen.
1997: die Linde-Studie
1997 werteten Klaus Linde und Kollegen von der Universität München 185 Studien aus, in denen homöopathische Mittel gegen ein Placebo getestet worden waren. Von diesen genügten 89 dem Anspruch eines randomisierten und doppelblinden Tests, das heißt, die Zuordnung zur Placebo- oder Wirkstoffgruppe erfolgte mittels eines Zufallsverfahrens, und weder die Teilnehmer noch die behandelnden Personen wussten, wer welcher Gruppe angehört. Beides gilt als wichtige Voraussetzung, um Verzerrungen durch unterschiedliche Erwartungshaltungen auszuschließen. Die nach diesen Kriterien gültigen Studien wurden zusammengefasst und gemeinsam einer statistischen Signifikanzprüfung unterzogen. Danach kam Linde zu der Schlussfolgerung: „Die Ergebnisse unserer Meta-Analyse sind nicht vereinbar mit der Hypothese, dass die klinischen Effekte der Homöopathie vollständig auf einen Placeboeffekt zurückzuführen sind. Allerdings fanden wir auch keine genügenden Hinweise darauf, dass Homöopathie für irgendeine spezifische Erkrankung wirkt.“
Für Homöopathen gilt diese Studie bis heute als Triumpf, belegt sie doch in ihren Augen eindeutig die Wirksamkeit homöopathischer Mittel. Den zweiten Satz von Linde‘s Schlussfolgerung lassen sie dabei allerdings geflissentlich unter den Tisch fallen. Schulmediziner wiederum konzentrieren sich eher auf diesen zweiten Satz, gestärkt durch das Eingeständnis Lindes im Jahr 2006, seine Durchführung habe gravierende methodische Mängel gehabt: „In dieser haben wir Studien zusammengeworfen, die man eigentlich auf keinen Fall zusammenwerfen sollte: zu Komplexmitteln und individueller Mittelverschreibung, zu Muskelkater und Migräne, mit einer Dauer von wenigen Tagen bis zu Jahren und mit völlig unterschiedlichen Zeitkriterien.“
2005: die Egger-Studie
Matthias Egger, Professor für Sozialmedizin an der Universität Bern, hat diese Anmerkung offenbar beherzigt. In seiner 2005 gemeinsam mit Kollegen veröffentlichten Metastudie „poolen“ die Forscher jeweils nur Studien zu ähnlichen Krankheitsbildern und vergleichen die 110 homöopathischen Placebostudien zusätzlich mit 110 Placebostudien konventioneller Arzneimittel der entsprechenden Indikationen. Ein großer Schwerpunkt liegt dabei auch in einer Auswertung des Zusammenhangs von Studiengröße und –design mit dem Studienergebnis.
Das Resultat: Studien mit geringeren Teilnehmerzahlen oder weniger gut definierten „Spielregeln“ zeigen häufiger positive Effekte für die Homöopathie als großangelegte, strengere Testverfahren. Ein solcher „Bias“ ist prinzipiell nichts Neues, wurde hier aber noch einmal explizit auch für homöopathische Studien belegt. Für seine Endauswertung berücksichtigte Egger daher nur die qualitativ hochwertigen Studien beider Gruppen. Sein Fazit: „Wenn die Analysen auf große Studien mit hoher Qualität beschränkt wurden, gab es keine überzeugenden Belege dafür, dass Homöopathie dem Placebo überlegen war. Für konventionelle Medizin dagegen blieb ein signifikanter Effekt erhalten. Dieser Befund steht im Einklang mit der Auffassung, dass die klinischen Effekte der Homöopathie Placeboeffekte sind.“
Die Herausgeber des „Lancet“ läuteten in ihrem Editorial prompt „Das Ende der Homöopathie“ ein. Vertreter homöopathischer Organisationen werfen Egger dagegen vor, die Endmenge der ausgewerteten Studien sei zu gering und damit die Ergebnisse nicht repräsentativ. Dem Schweizer Gesundheitsminister Pascal Couchepin reichten sie aber dennoch, um die Homöopathie im Juni 2005 aus der Regelversorgung des schweizerischen Gesundheitssystems zu streichen, in die sie probeweise aufgenommen worden war.
Nadja Podbregar
Stand: 26.03.2010