Die Stellung der Geowissenschaften in Deutschland scheint dem geflügelten Wort „Der Prophet gilt wenig nur im eigenen Land“ zu folgen. Dabei müssen sich die deutschen Geoforscher keineswegs verstecken. Im Gegenteil: Eine ganze Reihe erfolgreicher und international vielbeachteter Projekte spricht für sich.
Ein Beispiel für ein nationales Programm mit internationalen Auswirkungen ist das Kontinentale Tiefbohrprogramm (KTB). In Windischeschenbach in der Oberpfalz bohrten Geowissenschaftler 1994 mit neun Kilometern das bisher tiefste Loch in die Erdkruste. Durch diese Bohrung und die damit verbundenen Untersuchungen gewannen sie wichtige Erkenntnisse über die Eigenschaften und das Verhalten des Gesteins in diesen Tiefen. Dieser Erfolg führte dazu, dass sie inzwischen auf internationaler Ebene im Bereich der kontinentalen Bohrprogramme sogar eine Führungsrolle einnehmen, wie beispielsweise im „International Continental Scientific Drilling Program (ICDP)“.
Der Erfolg solcher Projekte kommt jedoch nicht von ungefähr: In kaum einem anderen Land der Welt kann die geowissenschaftliche Forschung auf ein so dichtes und durchstrukturiertes Netz aus geowissenschaftlichen Forschungsinstituten, Universitäten, Großforschungseinrichtungen und Bundesanstalten zurückgreifen, wie in Deutschland.
Mit dem GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ), dem Alfred-Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und dem Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig widmen sich gleich drei große Institute der Helmholtz-Gesellschaft geowissenschaftlicher Forschung. Hinzu kommen noch universitätsnahe Einrichtungen wie das GEOMAR-Forschungszentrum für marine Umweltwissenschaften in Kiel oder Behörden wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover.
Je nach Projekt arbeiten viele dieser Einrichtungen für bestimmte Forschungsziele eng zusammen und entsenden auch gemeinsam Forscher zu internationalen Projekten. Koordiniert wird das Ganze entweder durch Absprachen unter den Instituten selbst, oder aber von übergeordneten Gremien wie beispielsweise der „Kommission für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsforschung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie ist gleichzeitig wichtigster Drittmittelgeber für die geowissenschaftliche Forschung und Ausbildung an Universitäten.
Bisher gibt es an 37 Hochschulen in Deutschland Studiengänge mit geowissenschaftlicher Ausrichtung, eine Fachrichtung „Geowissenschaften“ existiert aber nur an den wenigsten von ihnen. Wer Geowissenschaftler werden will, hat daher oft die Qual der Wahl zwischen einer ganzen Palette von Fächern wie Geologie, Paläontologie, Geografie, Geophysik, Mineralogie, Geodäsie und anderen. Kein Wunder also, dass die Absolventen dieser Studiengänge sich dann eher als Vertreter ihrer jeweiligen Einzeldisziplin sehen und weniger als Geowissenschaftler.
Immerhin, das Problem hat man mittlerweile auch bei der Alfred-Wegener Stiftung, der Dach-Organisation von 20 geowissenschaftlichen Verbänden und Einrichtungen erkannt: „Die Geowissenschaften dürfen nicht mehr in vielen, zum Teil exotischen Einzeldisziplinen in der Öffentlichkeit auftreten. Ihre Vertreter müssen vielmehr als kompetente Fachleute unter einem Namen bekannt sein.“ Auch die Vertreter des Programms „GEOTECHNOLOGIEN“ fordern „eine verstärkt integrative Ausrichtung der bisher organisatorisch gegeneinander abgesetzten Einzeldisziplinen.“
Erste Ansätze zu einem stärkeren Zusammenwachsen der einzelnen Fachrichtungen schon während des Studiums gibt es bereits. An einigen Universitäten hat man mit einer Neustrukturierung von geowissenschaftlicher Forschung und Lehre bereits begonnen und einen Studiengang „Geowissenschften“ eingerichtet.
Stand: 19.01.2002