Die Kohle diktierte einst die Entwicklung der Ruhrgebietsstädte. Anders als in anderen Städten war keine Residenz oder Kirche Ausgangspunkt der Stadtentwicklung, sondern die Produktionsstätten der Montanindustrie. Diese unterwarfen den einst ländlich geprägten Raum, gliederten ihn neu und gründeten eigene Siedlungskerne. Die Städte sind so Teil eines chaotisch gewachsenen Siedlungskörpers, bestehend aus mehreren eigenständigen Zentren. So erstaunt die stark ausgeprägte Identität der einzelnen Ruhrgebietsstädte nicht. Liegt sie doch in ihrer schwerindustriellen Entstehungsgeschichte begründet.
Mit dem revolutionären Einsatz der Dampfmaschine Anfang des 19. Jahrhunderts entstand ein gewaltiger industrieller Kreislauf. Die Gewinnung des Bodenschatzes vervielfachte sich – Futter für eine kohlefressende Eisen- und Stahlindustrie. Die Kohle unter der Erde ließ darüber Zechen, Hochöfen, Walzwerke und Mietskasernen wachsen. Ein planloses Gebilde von Städten entstand, das zu einer großstadtähnlichen Agglomeration wucherte. Aus dem ländlichen Raum mit Bauerndörfern wurde so in wenigen Jahrzehnten die größte Industrieregion Europas.
Der entstehende Arbeitskräftebedarf konnte kaum gedeckt werden. Aus allen Teilen Europas strömten Menschen in die Ruhr-Region. Die Bevölkerungszahl stieg von 1850 bis 1925 von rund 400.000 auf 3,8 Millionen. Wohnungen, Gewerbeflächen und Verkehrseinrichtungen mussten geschaffen werden. In kürzester Zeit entstand ein Ballungsraum, der nachträglich schwer zu ordnen war.
Da sich der Großteil von Grund und Boden im Besitz der Großindustriellen befand, fehlten den Kommunen jegliche planerische Einflussmöglichkeit. Um die Landschaft vor weiterer Zersiedlung zu schützen, wurde 1920 als erste deutsche Organisation für Raumplanung der Siedlungsverband Ruhrkohlebezirk SVR gegründet. Dem SVR wurde ruhrgebietsweit die Aufgabe der Siedlungs- und Freiraumplanung übertragen.
Die explosionsartige Industrie- und Stadtentwicklung führte zu einer beispielslosen Umweltzerstörung. Bäume gingen zugrunde, die Bauern beklagten Ernteausfälle. Die katastrophalen sanitären Verhältnisse bei Trinkwasser- und Abwasserentsorgung führten 1901 zu einer Typhus- und Choleraepidemie. In der Folgezeit nahmen auch Erkrankungen an Leukämie, Krebs, Rachitis und Blutbildveränderungen stark zu. Die Luftverschmutzung war zeitweise so gravierend, dass der Himmel sich tagsüber verdunkelte und die Sichtweite weniger als zehn Meter betrug.
Die Kohle- und Stahlproduktion brach auch während des zweiten Weltkriegs nicht ein. Das industrielle Kraftzentrum versorgte Deutschland während des Weltkrieges mit Kanonen und danach mit Stahl für den Wiederaufbau. Der Höhepunkt der Kohleförderung wurde 1956 mit 124.000 Tonnen erreicht. Fast eine halbe Millionen Menschen waren zu dieser Zeit im Bergbau beschäftigt.
Ein Höhepunkt, der nicht lange anhalten sollte. Ende der 50er Jahre verfiel die Montanindustrie im Ruhrgebiet in eine Krise, die bis heute anhält…
Stand: 09.02.2002