Obwohl der Zufall im modernen Fußball eine große Rolle spielt, versuchen Wissenschaftler den Sport dennoch – zumindest zum Teil – berechenbar zu machen. So wie der Physiker Professor Metin Tolan von der Technischen Universität Dortmund. Er ist unter anderem den mathematischen Prinzipien auf der Spur, die sich hinter den Ergebnissen verbergen, wenn nicht ein Einzelspiel, sondern eine große Anzahl von Spielen betrachtet wird. Tolan hat in seiner Studie deshalb die Resultate von Spielen der deutschen Bundesliga, der englischen Premier League und der italienischen Serie A näher unter die Lupe genommen.
Drei Tore sind wahrscheinlicher als sechs
Zunächst stellte Tolan aber eine Theorie auf, die die Ergebnisse vorhersagen sollte. Sie ging von einer gleichen Stärke der Mannschaften aus und einer Anzahl der Tore pro Spiel, die der Zufallsverteilung der Poisson-Kurve folgte. Diese gewölbte Kurve ergibt beispielsweise, dass zwei oder drei Tore pro Spiel wahrscheinlicher sind als sechs oder sieben. Mithilfe von Differentialgleichungen errechnete der Mathematiker die durchschnittlichen Ergebnisse für eine große Anzahl von Spielen und berücksichtigte dabei auch Faktoren wie den – angeblichen – Heimvorteil.
Realität passt zur Simulation
Dann analysierte er die tatsächlichen Ergebnisse der drei Superligen und verglich die Ergebnisse mit seiner Simulation. Und tatsächlich: Die insgesamt 34.300 Spielergebnisse folgen nahezu perfekt der mathematischen Theorie. Ob die Profifußballer sich wohl dessen bewusst sind? Interessanterweise scheint die Korrelation bei Spielen auf Amateurniveau weniger stark ausgeprägt zu sein. Allerdings verfügt Tolan hier noch nicht über eine ausreichende Menge an Ergebnissen – möglicherweise „knackt“ er auch diese scheinbare Unberechenbarkeit noch.
Viele Tore, wenige Remis?
Einen Schritt weiter ist der Mathematiker dagegen schon bei einem anderen Fußballthema. Und zwar stellte er sich die Frage, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Anzahl der erzielten Tore und der Anzahl der Unentschieden an einem Bundesligaspieltag. Dazu muss man wissen, dass durchschnittlich rund ein Viertel aller Ligaspiele remis ausgehen. Am 14. Spieltag der Saison 2007/2008 gab es aber auffälligerweise überhaupt kein Unentschieden, dafür aber mit 3,3 Toren pro Match deutlich mehr Treffer als sonst. Zufall oder doch ein mathematische Korrelation? Beides, lautet die richtige Antwort.
Doch warum? Fallen in einem Spiel zwei Tore, gibt es als mögliche Resultate 1:1, 0:2 und 2:0. Die Wahrscheinlichkeit für ein Unentschieden liegt demnach bei einem Drittel. Schießen die Spieler im Wettstreit sogar vier Treffer gibt es als mögliche Endergebnisse dagegen 2:2, 3:1, 4:0, 0:4 und 1:3. Ein Remis kommt dann nur in einem Fünftel aller Fälle zustande – zumindest unter der Annahme, dass alle Resultate gleich häufig auftreten.
Der Wahrscheinlichkeit eines Unentschieden auf der Spur
„.. es ist sofort zu sehen wie die Wahrscheinlichkeit für ein Unentschieden mit steigender Toranzahl abnimmt. Damit kann die Korrelation dieser beiden Tatbestände auf einen konkreten Grund zurückgeführt werden, nämlich dass bei vielen erzielten Toren, die Zahl der möglichen Spielausgänge mit dem Sieg eines Teams stärker ansteigt als die Zahl der Unentschieden. So einfach ist das“, schreibt Tolan in der WAZ. Dass es an dem besagten Spieltag jedoch gar kein Unentschieden gab, ist aber wohl doch Zufall.
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Deutschland wird Weltmeister
Gedanken gemacht hat sich Metin Tolan auch über den Ausgang der Fußballweltmeisterschaft 2010. Und wenn seine Berechnungen stimmen, könnte es sein, dass ganz Fußball-Deutschland nach dem Endspiel am 11. Juli 2010 in einen kollektiven Freudentaumel fällt. „Im Durchschnitt hat Deutschland in der Vergangenheit Platz 3,7 belegt, um diesen Wert schwankten die Platzierungen. Dazu kommt, dass wir alle vier, fünf Jahre ein besonders starkes Team hatten. Das kann man mit einer Kosinus-Funktion beschreiben.”, erklärte Tolan im April 2010 im Interview mit ZEIT WISSEN.
Danach hätte Deutschland allerdings eigentlich schon vor vier Jahren im eigenen Land Weltmeister werden müssen. Dass es damals nicht funktionierte, entmutigt den Forscher aber nicht. Denn seine selbst gestrickte „WM-Formel“ ist noch nicht ganz perfekt und hat den Triumpf bisher immer für einen Termin zu früh prognostiziert. „Deshalb klappt es diesmal, ganz sicher.“ Schau’n wir mal…
Dieter Lohmann
Stand: 11.06.2010