Ob Generatoren, Tesla-Spulen, kabellose Lampen oder Radiowellensender – für Tesla sind all diese Erfindungen nur Mittel zum Zweck. Denn mit ihrer Hilfe will er seinen ganz großen Traum verwirklichen: ein weltweites Übertragungssystem, das den Strom ohne Kabel vom Kraftwerk bis in die Häuser bringt.
Nach Teslas Vorstellung sollen die Eigenschaften der höheren Atmosphärenschichten und des Erdbodens ein solches „World Wireless System“ möglich machen. „Seine praktische Umsetzung würde bedeuten, dass Energie an jedem Ort des Globus zur Nutzung durch den Menschen verfügbar wäre – und das nicht in geringen Mengen, sondern in nahezu unbegrenztem Maße.“ schreibt Tesla im Jahr 1900 in einem Artikel für das Century Magazine.
Ein Turm mit zuckenden Blitzen
Um diesem Ziel näher zu kommen, richtet sich Tesla ab Mai 1989 in Colorado Springs ein eigenes Labor mit mehreren Mitarbeitern ein. Hier konstruiert er – unter großer Geheimhaltung – eine gewaltige, 15 Meter dicke Tesla-Spule. Sie ist mit einer teleskopartig ausfahrbaren Antenne gekoppelt, die als zusätzliche Resonatorspule dient und knapp 50 Meter hoch ausgefahren werden kann.
Mit diesem Transformator-Turm hofft Tesla, Energie endlich auch über größere Entfernungen übertragen zu können. Seiner Ansicht nach ist dies nur eine Frage ausreichender Spannung und der richtigen Frequenzen – und denen glaubt er sich zu nähern. Neun Monate lang experimentiert Tesla mit seinem „Magnifying Tower“, wie er die Anlage nennt.
Mit ihr gelingt es dem Erfinder, Entladungen von mehreren Millionen Volt und mit Frequenzen von 50 bis 150 Kilohertz zu erzeugen. In einem weithin sichtbaren Schauspiel schießen Blitze dabei von der Kugel seines Transformator-Turms bis zu 40 Meter weit durch die Luft, das Knattern der Entladungen ist weithin zu hören. An einem Abend saugt Teslas Anlage so viel Strom aus dem kommunalen Netz, dass es überlastet. Weil dabei ein Generator durchbrennt, versinkt die gesamte Stadt El Paso im Dunkeln – Stromausfall.
Ein Weltsystem der Telekommunikation
Teslas Blitze – und mehrere öffentlichkeitswirksame Artikel und Fotografien – ziehen die Aufmerksamkeit eines potenziellen Investors auf sich: des Bankiers J.P.Morgan. Nachdem Tesla das Geld für sein Labor in Colorado Springs ausgeht, schlägt er Morgan Anfang 1901 ein neues Projekt vor: Er will an der Küste eine Anlage bauen, die den Grundbaustein für ein weltweites Telekommunikations-Netz darstellt.
Mit diesem System, so verspricht Tesla, könnten dann eines Tages Nachrichten, Musik, private Botschaften, militärische Befehle und sogar Bilder in jeden Teil der Welt gesendet werden. Morgan erscheint dies – zu Recht – zukunftsträchtig und er investiert 150.000 US-Dollar. Was der Bankier nicht weiß: Tesla geht es erst in zweiter Linie um die Telekommunikation. Er hofft, mit der Anlage endlich den Durchbruch bei der drahtlosen Fernübertragung von Energie zu schaffen.
Der Wardenclyffe Tower
Der „Wardenclyffe Tower“ wird eine noch größere Version der Blitzanlage von Colorado Springs. Der Transformator-Turm ragt 57 Meter hoch auf und wird von einer gut 20 Meter großen Metallkuppel gekrönt. Ein 400 PS-Generator soll die nötige Leistung für die Tesla-Spulen liefern. Unter der Anlage führt eine Bohrung 36 Meter in die Tiefe, sechs Eisenrohre werden durch sie bis in 100 Meter Tiefe gerammt. Sie sollen die Leitung der Energie durch die Erde ermöglichen.
Doch dazu kommt es nicht mehr: Nachdem Marconi im Dezember 1901 seine erste Radiobotschaft über den Atlantik sendet, steigt J.P. Morgan aus. Gleichzeitig kommt es zu einem Börsen-Crash und die Preise für Baumaterial steigen drastisch. Für Tesla bedeutet dies das Ende seines Traums. Ohne Geld und Unterstützung muss er seine unvollendete Anlage aufgeben. 1917 wird der Wardenclyffe Tower abgerissen.
Nadja Podbregar
Stand: 27.10.2017