Nachdem der deutsche Paläontologe Friedemann Schrenk und sein US-Kollege Bromage bei ihren Ausgrabungen in Malawi zunächst nur fossile Tierknochen gefunden haben, kommt dann im Jahr 1991 doch der große Moment: Die geübten Augen des Teammitglieds Tyson Mskika entdecken zwei frühmenschliche Unterkieferhälften. Das Grabungscamp feiert ein rauschendes Fest, das große wissenschaftliche Ziel ist erreicht.

Ein Unterkiefer von einem Homininen
An dieser Stelle unterbricht Schrenk kurz seine Erzählung, verlässt die Bibliothek und kommt kurz darauf mit einem silbernen Metallkoffer wieder. Er nimmt etwas heraus und legt es vor den Besucher, auf ein kleines, braunes Kissen: den Stein gewordenen Unterkiefer eines Menschen, 2,5 Millionen Jahre alt. An der einen Seite des Fundstücks ist an einer Bruchkante sogar die Zahnwurzel erkennbar. Auch 2022 ist das noch ein geradezu feierlicher Moment.
Der Unterkiefer ist nicht vollständig, Schneidezähne fehlen und links der hintere Backenzahn, rechts ist vom hinteren Backenzahn ein fast quadratisches Stück herausgebrochen. Dies ist ein Wermutstropfen in der – auch medialen – Euphorie nach dem Fund. Denn die Zahl der Höcker an dem hinteren Backenzahn hätte Auskunft darüber geben können, ob es sich um den Unterkiefer eines Vertreters der Gattung Homo oder aber den des älteren Vormenschen Australopithecus handelt.
Fahndung nach dem fehlenden Zahn
An diesem Punkt kommt Ottmar Kullmer ins Spiel, 1991 ein frisch gebackener Diplom-Geologe, der freiberuflich geologische Gutachten verfasst. Er liest von dem fehlenden Stück in der Zeitung und schreibt zusammen mit zwei Freunden einen Brief an Schrenk, woraufhin der sie nach Darmstadt einlädt. Kullmer: „Das war ein langer Brief darüber, wie toll wir sind, und ob wir mal mitkommen könnten nach Malawi. Wir haben ein bisschen auf die Sahne gehauen damals, und offenbar war der Brief so eindrucksvoll, dass er uns treffen wollte.“