Mit dem Vorbeiflug am Pluto war die Mission der Sonde New Horizons aber noch lange nicht vorbei – im Gegenteil. Denn nun stieß sie in die Weiten des Kuipergürtels vor. Diese ringförmige Region außerhalb der Planetenbahnen ist die kosmische Heimat eisiger, teils extrem primitiver Körper von wenigen Kilometern Größe bis hin zu mehreren tausend Kilometern Durchmesser. Zwergplaneten wie Pluto, Eris, Makemake und Haumea zählen als bekannte Objekte dazu.
Noch ein Transneptunier
Der Kuipergürtel schließt unmittelbar an den äußeren Planeten Neptun an und erstreckt sich ungefähr bis in eine Sonnenentfernung von 18 Milliarden Kilometern. Er ist zugleich das Reservoir für die meisten kurzperiodischen Kometen. Alle Objekte des Kuipergürtels zusammengenommen machen nur einen Bruchteil der Masse der Erde aus.
In diesen Weiten ein gutes nächstes Ziel für New Horizons zu finden, war daher nicht einfach. Doch schon vor der Ankunft der Raumsonde am Pluto hatten Planetenforscher mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops ein weiteres transneptunisches Objekt erspäht, das für einen relativ nahen Vorbeiflug geeignet erschien. Der zunächst „Ultima Thule“ getaufte Brocken umkreist die Sonne in einer Distanz zwischen 6,4 und knapp sieben Milliarden Kilometern. Inzwischen wurde das Objekt in „Arrokoth“ umbenannt, was in der Sprache der Algonkin „Himmel“ bedeutet.
Brocken aus zwei Teilen
Das Interessante an Arrokoth: Schon erste Beobachtungen von Sternbedeckungen durch dieses Objekt legten nahe, dass es möglicherweise aus zwei Teilen besteht – vielleicht handelte es sich um einen Brocken mit Mond. Doch als dann New Horizons am 1. Januar 2019 in nur 3.000 Kilometern Entfernung an Arrokkoth vorbeiflog, enthüllten ihre Aufnahmen ein anderes Bild: Arrokoth war zwar zweiteilig, aber beide Teile waren miteinander verbunden.
Der eisige Brocken ähnelt damit eher einem Schneemann oder auch einer Gummiente – ähnlich wie der Kern des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Die Bilder von New Horizons zeigten, dass die beiden Teile von Arrokoth entlang ihrer Längsachsen zu einer 31 Kilometer großen „Erdnuss“ zusammengewachsen sind. Astronomen sprechen hierbei von einem sogenannten Contact Binary – einem Körper, der sich durch langsame Kollision mit einem zweiten Körper verbunden hat.
Vermutlich ist dies ein im äußeren Sonnensystem häufig ablaufender Prozess. Denn auch der von der ESA-Sonde Rosetta besuchte Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko entstand, wie Analysen nahelegen, durch einen sanften Kontakt zweier kleinerer Ursprungskörper.
Relikt aus der solaren Frühzeit
Doch es gibt auch entscheidende Unterschiede zwischen Arrokoth und dem Kometen: Während der Kometenkern im Ganzen doch eine gewisse räumliche Tiefe aufweist, sind die beiden Teile Arrokoths von ziemlich flacher Struktur und eher kraterarm. Forscher sehen darin ein Anzeichen dafür, dass die Oberfläche von Arrokoth sich kaum durch photochemische Reaktionen oder Einschläge verändert hat. Sie könnte daher noch sehr ursprünglich sein und den Zustand in der Frühzeit des Sonnensystems widerspiegeln.
Erste Analysen der von der Raumsonde übermittelten Aufnahmen zeigten bereits Formationen, die Geologen als urtümliche Bausteine von frühen Himmelskörpern im Kuipergürtel interpretieren. Spektralmessungen deuten zudem darauf hin, dass die rötliche Färbung von Arrokoth auf die Verbindungen Methanol, Blausäure, Wassereis und einiger Kohlenwasserstoffverbindungen zurückgeht.
Noch aber sind diese Ergebnisse erst der Anfang. Denn wegen New Horizons großer Entfernung ist die Übertragung der Daten vom Vorbeiflug an Arrokoth auch nach anderthalb Jahren nicht abgeschlossen. Sie wird noch bis Ende 2020 andauern. Erst dann wird es endgültige Ergebnisse geben.
DLR/NPO