Zugvögel fliegen zweimal jährlich um den halben Erdball und wählen dabei fast immer dieselben Routen und Rastplätze. Grauwale leben den Sommer über im Nordpazifik, bringen im Winter ihre Jungtiere aber vor den Küsten Mexikos zur Welt – 15.000 Kilometer legen sie dabei pro Jahr zurück. Und auch die Suppenschildkröte paddelt zielsicher tausende von Kilometern weit, um ihre Eier auf ausgewählten Brutplätzen abzulegen. Genau wie bei Lachsen besteht auch ihr Orientierungsvermögen wahrscheinlich aus mehreren Komponenten: eine gute Sicht, ein empfindliches Gehör, eine feine Nase.
„Doch auch das Erdmagnetfeld scheint eine wichtige Rolle zu spielen“, sagt Michael Winklhofer. Seit einem halben Jahrhundert versuchen Verhaltensforscher, dem Magnetsinn der Tiere auf die Schliche zu kommen. Sie befestigten kleine Stabmagneten im Nacken von Brieftauben; die so manipulierten Tiere waren sichtlich desorientiert und hatten größere Probleme, wieder nach Hause zu finden. Sie sperrten Rotkehlchen in einen abgedunkelten Käfig, der von Helmholtz-Spulenpaaren umgeben war. Bei einer Verschiebung des künstlichen Magnetfelds im Käfig verschob sich die Abflugrichtung der kleinen Vögel entsprechend.
Sinnesverwirrung und brummende Tanks
Vor allem in Freilandexperimenten haben Forscher immer wieder zeigen können, dass sich die Tiere bis zu einem gewissen Grad am Erdmagnetfeld orientieren. „Die Schwierigkeit bei Freilandexperimenten ist aber, dass man andere Sinne nicht ausschalten kann“, sagt Winklhofer. Im Labor sei das schon schwierig genug. Der Geophysiker spricht aus Erfahrung: Er wollte testen, wie sich Hummer im Magnetfeld verhalten. Dass sich ihre Verwandten, die Langusten, in der freien Wildbahn auf ihren Magnetsinn verlassen, gilt nämlich als relativ gesichert. Das künstliche Magnetfeld im Labor hat Michael Winklhofers Krustentier aber völlig kaltgelassen. „Wahrscheinlich hat es das Brummen der Wasserpumpe am Tank irritiert.“
Auf der Suche nach den entscheidenden Zellen
Verhaltensexperimente liefern den Forschern auch keine Erkenntnisse darüber, wie der Magnetsinn im Detail funktioniert. Winklhofer verfolgt deshalb eine andere Strategie. Wenn sich die Tiere am Erdmagnetfeld orientieren, dann müssen sie eine Art sechsten Sinn besitzen, mit dem sie das Magnetfeld erspüren können: spezielle Magnetsinneszellen. Wie sind sie aufgebaut? Funktionieren sie bei allen Tieren nach dem gleichen Schema? Und wie wandeln sie die magnetische Energie in einen Nervenimpuls um? „Bislang hat noch keiner diese Zellen zweifelsfrei identifizieren können“, sagt er. Aber ein paar Fragen kann der Münchner heute schon beantworten.
Marieke Degen, Magazin Einsichten/ LMU München
Stand: 01.04.2011