„Davon hätte ich gern mehr behalten“, sagt Martina Abri und zeigt auf eine halbe, schäbig wirkende Keramikfliese inmitten strahlend blauer Wände. Es sei eine der wenigen Original-Fliesen im Mausoleum Shadi-Mulk-Aga, klärt die Restauratorin auf, und selbst für deren Erhalt habe sie kämpfen müssen. Es ist Abris letzter Arbeitstag im usbekischen Samarkand.
Hier in der Stadt mit den blauen Kuppeln, Inbegriff von 1001 Nacht und Heimat von Scheherezade, hat die Potsdamerin Abri dazu beigetragen, dass eben jener türkisblaue Glanz erhalten bleibt. Die Rekonstruktion von Shadi-Mulk-Aga ist beendet. Ganz zufrieden wirkt die Potsdamerin aber dennoch nicht.
Schimmerndes Blau als Himmelssymbol
Abri, Professorin für Denkmalpflege an der Fachhochschule Potsdam, war im Jahr 2002 erstmals nach Samarkand gekommen, als Spezialistin für die Restaurierung der stark beschädigten Lehmziegel im Innenraum von Shadi-Mulk-Aga. „Von abgeplatzten Glasuren bis hin zu zerbrochenen oder völlig fehlenden Fliesen war alles dabei,“ so Abri zum damaligen Zustand des Mausoleums.
Shadi-Mulk-Aga, das Grab „der Freudigen“, ist eines der vier ältesten Mausoleen in Schah-i-Sinda, der Gräberstadt am Rande von Samarkand. 1372 vom persischen Herrscher Tamerlan für seine Nichte errichtet, gilt es mit seinen Ornamenten an Fassade und Innenwänden als eines der prachtvollsten der gesamten Anlage. Vor allem die Keramikfliesen des Innenraums, die in sieben Blautönen schimmernd den Himmel symbolisieren, sind ein einmaliges Zeugnis timuridischer Handwerkskunst.
Entwicklungshilfe im Denkmalschutz
Als besonderes Architektur-Denkmal wurde das Mausoleum deshalb auch in das Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amtes aufgenommen. Seit über 20 Jahren leistet Deutschland mit dem Programm Entwicklungshilfe im Denkmalschutz, mehr als 30 Millionen Euro sind seither weltweit in über 1200 Projekte geflossen. Die Restaurierung von Shadi-Mulk-Aga kostete rund 300.000 Euro.
Nachdem bereits Ende der 90er Jahre das Kuppeldach des Mausoleums mit deutscher Hilfe rekonstruiert worden war, erarbeiteten die Restauratoren von der FH Potsdam gemeinsam mit dem usbekischen Kultusministerium ein weitergehendes Sanierungskonzept. Handwerker aus Samarkand setzten es schließlich unter deutscher Aufsicht um.
„Verbessern“ oder restaurieren?
Den Potsdamer Spezialisten war dabei vor allem der Erhalt der alten Fliesen und Glasuren wichtig, Fehlstellen sollten nur möglichst behutsam ergänzt werden. „Das usbekische Verständnis von Restaurierung ist aber leider ein anderes,“ meint Abri dazu. Angesichts zahlreicher Mausoleen in der Nachbarschaft, in denen alte Fresken farbenfroh übermalt oder Original-Fliesen abgeschlagen und entsorgt werden, schüttelt sie nur fassungslos den Kopf.
Auch Shadi-Mulk-Aga hätten die Usbeken gerne vollständig in neuem Glanz gesehen. „Wir sollten sogar die arabischen Rechtschreibfehler in den Ornamenten ausbessern,“ erzählt Abri. Das konnte sie verhindern. Doch bei den neuen Fliesen musste sie einlenken. Die Pigmente wurden aus Deutschland importiert, die Keramiken mit usbekischer Technik nach altem Vorbild gebrannt. Trotzdem unterscheiden sie sich mit ihren leuchtenden Farben erheblich von den von eher dezent gehaltenen Originalen.
Dass sie einige der Fliesen aus dem 14. Jahrhundert retten konnte, verdankt Abri ihrem Verhandlungsgeschick. Obwohl eine derartige Restaurierung teuer sei, hätten auch die usbekischen Kollegen schließlich eingesehen, dass das Mausoleum durch den Erhalt der alten Substanz eher an Wert gewinne.
„Handeln wie auf dem Basar musste ich nicht“, sagt dagegen Abris Kollege Johannes Vielhaber, der bis zum Jahre 2006 in Samarkand tätig war. Als „denkmalschützender Bauingenieur“, wie er selbst sagt, setzte sich der Professor für Konstruktiven Ingenieurbau und Rektor der FH Potsdam für den Erhalt der Medresse Tella-Khari im historischen Zentrum Samarkands ein.
Sinkende Fundamente gefährden Prachtbauten
„Das Fundament von Tella-Khari sackte jedes Jahr um drei ZentimeterSamarkand ab. Wenn die Medresse kurz vor dem Einsturz steht, gelten Einwände nicht mehr,“ so Vielhaber. Ursache der der mangelnden Standfestigkeit : die mächtige Kuppel. 1980 hatte der Prachtbau aus dem 17. Jahrhundert ein neues Dach bekommen, 900 Tonnen Ziegel und Beton.
Der Boden, auf dem die ehemalige Koranschule steht, hielt dieser Last nicht stand. Jedes Jahr sank das Bauwerk tiefer ein und gefährdete mittlerweile auch die Medressen von Ulugkbek und Shirdar, die direkt neben Tella-Khari stehen und zusammen das weltbekannte Ensemble am Registan-Platz bilden.
Seit 2006 wird nun das Fundament von Tella-Khari mit deutschem Know-How gesichert. 40 Bohrpfähle von 80 Zentimetern Durchmesser, je zwölf Meter tief in die Erde eingelassen und durch Stahlträger mit dem ursprünglichen Fundament verbunden, fangen die gewaltige Last der Anlage auf und sollen sie dauerhaft sichern. „Schließlich soll die Medresse noch ein paar Jahrhunderte stehen,“ erklärt Vielhaber.
Stand: 04.04.2008