Es gibt Weiße Zwerge, die sich allen klassischen Kategorien entziehen. Sie sind zu schwer, zu schnell oder auch zu magnetisch für gängige Modelle und Theorien. Das wirft die Frage auf, wie solche Exoten entstanden sein könnten – und aus was?
Der übergewichtige Exot
Einer dieser Exoten ist der rund 150 Lichtjahre von uns entfernte Weiße Zwerg WDJ0551+4135. Ihn haben Astronomen um Mark Hollands von der University of Warwick in den Daten des ESA-Satelliten Gaia aufgespürt. „Dieser Stern sticht heraus als etwas, das wir so noch nie zuvor gesehen haben“, sagt Hollands. „Wir wissen inzwischen ziemlich genau, wie ein Stern zum Weißen Zwerg wird – und ein solches Resultat kann es eigentlich dabei nicht geben.“
Der Weiße Zwerg zeigt gleich mehrere Merkmale, die für einen solchen Sternenrest ungewöhnlich sind. So ist er mit 1,14 Sonnenmassen, fast doppelt so schwer wie die meisten anderen Weißen Zwerge. Zudem bewegt sich WDJ0551+4135 deutlich schneller, als er es aufgrund seiner Temperatur und seines Alters tun dürfte. Und schließlich zeigt der Sternenrest eine merkwürdige Elementverteilung: In seiner dünnen Hülle fehlt Helium fast ganz, dafür sind Kohlenstoff und Wasserstoff nachweisbar – das wurde so noch nie bei Weißen Zwergen beobachtet.
Wie aber sind diese Anomalien zu erklären? Nach Ansicht von Hollands und seinem Team spricht all dies dafür, dass WDJ0551+4135 nicht auf normalem Wege aus einem Vorläuferstern entstanden ist. Stattdessen könnte er das Ergebnis einer stellaren Kollision sein: der Verschmelzung von zwei Weißen Zwergen. Dies würde sowohl die große Masse, als auch die für sein Alter erhöhte Temperatur und den aus dem Inneren aufgewühlten Kohlenstoff erklären.
Rätsel um Tychos Supernova
Tatsächlich ist WDJ0551+4135 nicht der einzige Weiße Zwerg, der aus einer solchen Verschmelzung hervorgegangen sein könnte. Auch bei einigen anderen „übergewichtigen“ und auffallend heißen Sternenresten vermuten Astronomen einen solchen Ursprung. Sogar eine der bekanntesten historischen Sternexplosionen könnte nach Ansicht einiger Forscher durch die Kollision zweier Weißer Zwerge entstanden sein: Tychos Supernova.
Der dänische Astronom Tycho Brahe beobachtete dieses Ereignis im Sternbild Cassiopeia im Herbst 1572. Einige Wochen lang strahlte dort ein „neuer Stern“ sogar heller als die Venus, um dann langsam wieder zu verblassen. Für das damalige Weltbild war dies revolutionär, hielt man doch das Firmament für unveränderlich und gottgegeben. Heute jedoch ist klar, dass Brahe die Explosion eines Sterns beobachtet haben muss – aber was für eine?
Lange galt „Tychos Stern“ als klassische Supernova vom Typ 1a – als Explosion eines Weißen Zwergs, der sich an dem von seinem Begleitstern abgesaugten Material „überfressen“ hatte. 2008 gelang es Astronomen, aus dem gespiegelten Restlicht dieser Explosion spektrale Indizien für eine solche Supernova abzuleiten. 2011 entdeckte ein Forscherteam mögliche Relikte des damaligen Begleitsterns.
2017 jedoch analysierten Astronomen um Tyrone Woods von der australischen Monash University die Gaswolke um den Überrest dieser Sternexplosion – und fanden Überraschendes: Eigentlich müssten diese Gase noch durch die Hitze und Strahlung der Supernova ionisiert sein. Stattdessen aber bestanden die Explosionsrelikte überwiegend aus neutralem Gas, was auf ein kühleres, energieärmeres Ereignis hindeutet. Nach Ansicht der Astronomen kann das Ereignis, das Tycho Brahe beobachtete, demnach keine Typ-1a-Supernova gewesen sein – wohl aber die Verschmelzung zweier Weißer Zwerge.
Weiße Zwerge im Todestanz
Wie eine solche Verschmelzung zweier Weißer Zwerge zustande kommt und was davor geschieht, haben Astronomen im Jahr 2015 erstmals beobachtet. Im Planetarischen Nebel Henize 2-428 entdeckten sie ein Paar solcher Sternenreste, die sich mit einer Umlaufzeit von rund vier Stunden bereits sehr eng umkreisen – Tendenz weiter fallend. Nach Schätzungen der Astronomen könnten die beiden Weißen Zwerge noch innerhalb der nächsten 700 Millionen Jahre kollidieren.
Die Folge dieser Kollision wäre eine Supernova. Denn mit 1,8 Sonnenmassen bringen beide Weiße Zwerge mehr Gewicht auf die Waage als es nach dem Chandrasekhar-Limit zulässig ist. Das Verschmelzungsprodukt wäre demnach nicht stabil und würde explodieren. „Bis heute war die Entstehung von Typ-1a-Supernovae durch die Verschmelzung zweier Weißer Zwerge reine Theorie“, erläuterte David Jones von der Europäischen Südsternwarte (ESO). „Das Sternenpaar von Henize 2-428 macht es real.“