Neben der Peer-Review gibt es noch ein zweites „Sicherheitsnetz“ gegen Fakes in der Forschung: das Prinzip der Reproduzierbarkeit. Konkret bedeutet dies, dass alle Experimente und Studien so beschrieben und dokumentiert werden müssen, dass sie von anderen Forschenden wiederholt werden können.
„Reproduzierbare Forschungspraktiken können zwar die komplette Fälschung und Erfindung von Daten nicht verhindern“, meint Charles Gross von der Princeton University. „Aber eine weitverbreitete Anwendung solcher Praktiken könnte mit Sicherheit die gängigen Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens radikal reduzieren.“
Stammzellen im Säurebad
Tatsächlich sind einige der bekannten Betrugsfälle genau deswegen aufgeflogen: Andere Wissenschaftler wollten die in der Publikation beschriebenen Experimente nachmachen – und stießen auf Unstimmigkeiten: Mal fielen ihnen schon in den Daten oder bei den Methoden Fehler auf oder aber sie kamen bei der Durchführung der Studie zu völlig anderen Ergebnissen.
Ein prominentes Beispiel ist der Fall der japanischen Stammzellforscherin Haruko Obokata: In gleich zwei „Nature“-Veröffentlichungen behauptete sie, normale Zellen durch Eintauchen in ein Säurebad in eine Stammzelle umprogrammiert zu haben. Angesichts der großen Bedeutung induzierter Stammzellen für die Medizin war das eine echte Sensation – und wurde von entsprechend vielen Forschergruppen aufgegriffen.
Doch schnell stellte sich heraus, dass niemand Obokatas Ergebnisse reproduzieren konnte – selbst bei peniblem Befolgen ihrer Methode. Als dann das Forschungszentrum RIKEN der Sache nachging, stellte sich heraus, dass die Stammzellen schon von Anfang an in der Zellkultur enthalten waren. Obokata muss diese Kontamination nach Ansicht der Prüfer wissentlich herbeigeführt haben – sie hat betrogen.
Whistleblower im Dienst der Forschung
Und noch etwas spielt für die Aufdeckung von Fakes eine wachsende Rolle: soziale Medien. Ähnlich wie in der Politik gibt es auch in der Wissenschaft inzwischen Plattformen, die ein Forum bieten für das kritische Hinterfragen von Fachartikeln, aber auch für „Leaks“ aus Forschungsgruppen. Eines dieser Foren erhielt allein von Juli bis Dezember 2012 fast 300 anonyme E-Mails, in denen Wissenschaftler über mögliche Manipulationen von Daten in Publikationen von Kollegen berichteten.
Andere Blogs und Foren widmen sich der sogenannten post-publication Peer-Review: Sie überprüfen und analysieren bereits erschienene Studien.
Whistleblower aus den eigenen Reihen waren es auch, die zwei schwedische Limnologen in Bedrängnis brachten. Peter Eklöv und Oona Lönnstedt hatten 2016 in einem „Nature“-Fachartikel über negative Folgen von Mikroplastik auf das Wachstum von Fischen berichtet. Doch wenig später meldeten sich Kollegen aus dem gleichen Forschungsinstitut und berichteten, einige der im Artikel beschriebenen Experimente seien gar nicht durchgeführt worden, bei anderen gebe es Diskrepanzen zwischen der Beschreibung und dem, was tatsächlich im Institut stattgefunden habe.
Die Universität von Uppsala führte daraufhin eine interne Untersuchung durch und befand die beiden Forscher für schuldig. Eklöv und Lönnstedt konnten viele ihrer Fragen nicht befriedigend beantworten und verwickelten sich in Widersprüche. Hinzu kam: Auch bei ihnen waren viele der Rohdaten verschwunden – angeblich, weil ein Laptop gestohlen worden war und es Probleme mit den Backups gab.
Nadja Podbregar
Stand: 02.02.2018