Technik

Die „Biobots“ kommen

Cybercricket & Co helfen Biologen auf die Sprünge

Roboterforscher holen sich ihre Ideen nicht nur in der Natur, sie helfen auch bei ihrer Enträtselung. Die Ergebnisse ihrer Forschung an „Biobots“ tragen häufig dazu bei, dass Naturwissenschaftler einen tieferen Einblick in die Vorgänge im Inneren des Vorbild-Tieres erhalten. Ein Beispiel sind die Experimente der Roboterforscher der Universität Edinburgh.

Es ist dunkel im Laborraum der Universität. Plötzlich ertönt ein Zirpen, der Lockruf eines Grillenmännchens, und ein bis dahin bewegungslos in der Ecke stehendes Grillenweibchen dreht sich, horcht und steuert auf die Quelle des Geräusches zu. Sie hat schon ihr gesamtes Leben in dieser Dunkelheit verbracht und das ersehnte Männchen wird sie nie erreichen. Dennoch verspüren die Beobachter dieses Experiments kein Mitleid mit dem „armen Wesen“, und auch Tierschützer dürften keine Einwände haben: Denn – die Grille ist ein Roboter.

„Cybercricket“ soll helfen, eine der wichtigsten Fragen der Neurobiologie zu klären: Wie sind bestimmte Verhaltensweisen mit speziellen Aktivitätsmustern im Gehirn der Tiere verknüpft? Das es eine Verbindung gibt, weiß man schon lange. Nicht aber, über welche Mechanismen dies geschieht. Erst „Biobots“ wie „Cybercricket“ können vielleicht Licht in das Dunkel bringen. Die neuen „Tiere“ aus Metall und Silikon ahmen ihre natürlichen Vorbilder erstmals nicht nur in ihrem äußeren Verhalten nach, sondern auch in ihrer neuronalen Struktur. Die Sinnesorgane der „Cybercricket“ – Kameraaugen und akustische Sensoren – sind auf die gleiche Weise mit ihren Muskeln – Elektromotoren – verknüpft, wie bei dem echten Vorbild.

Für Biologen eröffnen sich damit völlig neue Möglichkeiten: Bisher mußten alle Versuche zu neuronalen Verbindungen an lebenden Tieren gemacht werden. Und selbst dann waren gute Ergebnisse nur schwer zu bekommen. „Sie müssen die Tiere betäuben oder fixieren, um die dabei gebrauchten Elektroden an der richtigen Stelle zu halten,“ beschreibt Barbara Webb die bisherige Praxis, „aber wer weiß, ob sich das Tier dann überhaupt noch normal verhält?“

Robotergrille für die Neurowissenschaft

Um dem abzuhelfen, setzte sie sich zum Ziel, von einer Grille ein komplettes Robotermodell zu bauen. Auf eine Wiese gesetzt, sollte diese Robotergrille nicht nur das gleiche Verhalten zeigen, wie eine echte Grille, sondern dabei auch die gleichen Mechanismen benutzen.

Seit 1991 bauen und experimentieren sie und ihr Team an „Cybercricket“ und schon in den ersten Anläufen zeigte sich Verblüffendes: Bisher nahmen Biologen immer an, dass Grillenweibchen für das Erkennen und Orten eines männlichen Lockrufs mindestens zwei Kontrollsysteme brauchen. Doch eine „Cybercricket“, deren akustisches System dem einer echten Grille genau nachgebildet war, aber an der entscheidenden Stelle nur ein Kontrollsystem trug, war anderer Meinung. Sie erkannte nicht nur den Gesang aus Dutzenden anderer Störgeräusche sondern bewegte sich auch sofort auf die Quelle des Rufs zu. Konnte es sein, dass auch echte Grillen ein viel einfacheres System benutzen, als angenommen?

Sie machten einen weiteren Versuch. Diesmal ging es um die Frage, welche Strukturen dafür verantwortlich sein könnten, dass Grillen Rufe mit schnellerem Takt bevorzugen. Einige Biologen argumentieren, dass solche Vorlieben im Gehirn selbst gespeichert sein müssen. Doch das Verhalten der Robotergrille widersprach auch diesen Annahmen. „Cybercricket“ entschied sich unweigerlich für den schnelleren Ruf, ohne dass mehr als nur das akustische System und ein paar Neuronen daran beteiligt gewesen wären.

Zwar sind es im Augenblick nur sehr einfache Verhaltensmuster, die auf diese Weise nachvollzogen werden können, dennoch erlauben sie sicher zumindest in einigen Fälle Rückschlüsse auf die Mechanismen im Tier. Für die Neurobiologen sind Roboter daher dabei, ein wichtiges Hilfsmittel bei ihren Studien zu werden. Ähnliche Experimente laufen bereits mit Ameisen- und Rattenrobotern.

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Stand: 21.10.2001

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Inhalt des Dossiers

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