Der Ort: irgendwo im Weltall, in der Nähe der Erde. Die Zeit: in 100 Millionen Jahren. „Wir haben gerade einen außergewöhnlichen Planeten ausgemacht. Noch sind wir in einiger Entfernung von unserer Entdeckung, doch schon jetzt ist klar, dass auf der Oberfläche dieses Planeten ungewöhnliche und ziemlich instabile chemische Verhältnisse herrschen. Unsere Sonden konnten nicht nur große Mengen an ungebundenem Wasser feststellen, sondern auch – hier liegt die eigentliche Überraschung – freien Sauerstoff und das in erheblichen Mengen.“ So oder so ähnlich könnte der erste Bericht eines fiktiven zukünftigen Forschungsreisenden auf Entdeckungstour im Sonnensystem lauten.
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Denn die Erde ist – und wird dies vermutlich auch noch in 100 Millionen Jahren sein – kein „Durchschnittsplanet“, wie es der Geologe Jan Zalasiewicz von der University of Leicester in England formuliert. Allein die Präsenz von Sauerstoff in ihrer Atmosphäre deutet auf Leben hin, auf Organismen, die dieses Gas immer wieder nachproduzieren. Wie genau dieses Leben in der fernen Zukunft aussehen wird, können wir heute nicht sagen, uns vermutlich nicht einmal näher vorstellen. Wer hätte vor 100 Millionen Jahren, mitten in der Kreidezeit, vorhersagen können, dass viel später einmal nicht mehr Farne und Dinosaurier die Lebenswelt dominieren, sondern Blütenpflanzen und Säugetiere – und darunter vor allem eine haarlose, aufrechtgehende Spezies?
Die Wanderung der Kontinente geht weiter – aber wie?
Und auch in der Geologie ist das heutige Bild dieser zukünftigen Erde eher verschwommen: Klar ist, dass sich die Kontinente immer weiter bewegen, ihre Position wird daher in 100 Millionen Jahren nicht mehr die gleiche sein wie heute. Angetrieben von den Strömungen des schmelzflüssigen Gesteins im Erdmantel wandern Afrika und Indien weiter nach Norden, an den Pazifikrändern wird dagegen Ozeanboden unter die Küsten Südamerikas und der Inselketten Ozeaniens gedrückt. Im Atlantik entsteht zwar entlang des Mittelatlantischen Rückens neuer Ozeanboden, gleichzeitig aber „schluckt“ die Subduktionszone vor der Ostküste des amerikanischen Kontinents, der so genannte Westatlantische Graben, Ozeanboden und befördert ihn in die Tiefe.
Wie von einem spielenden Riesenkind…
Einige Geologen, darunter auch Christopher R. Scotese, Professor für Geo- und Umweltwissenschaften an der University of Chicago, prognostizieren daher für die ferne Zukunft eine Landmassenverteilung, in der Afrika und Eurasien sowie Australien und die Antarktis verschmolzen sind. Andere dagegen, darunter auch Zalasiewicz, halten es für viel zu unsicher, solche Prognosen für die Kontinentverteilung zu treffen: „Es gibt einfach zu viele Szenarien für die Zukunft“, schreibt er in seinem Buch „Die Erde nach uns“. „Die Morphologie der Erdoberfläche wird sicher anders sein als heute, obwohl sie aus teilweise vertrauten Bausteinen bestehen wird, die wie von einem spielenden Riesenkind umgeordnet wurden.“
Eher Treibhaus als Kühlschrank
Ein wichtiger Faktor für die Lebenswelt und Bedingungen der Zukunft ist das Klima. Was werden die fiktiven Erforscher in 100 Millionen Jahren vorfinden: ein Treibhaus oder einen Kühlschrank? Nach Ansicht von Zalasiewicz spricht vieles für eine warme Treibhauswelt – ähnlich derjenigen, wie sie zur Zeit der Dinosaurier in der Kreidezeit herrschte. Damals war es weltweit tropisch und mild, an den Polen gab es kaum oder gar kein Eis. Dadurch lag auch der Meeresspiegel deutlich höher als heute, rund 70 Meter mehr war es zur Zeit seines Maximums.
Weil es Laufe der Erdgeschichte insgesamt mehr solcher warmer Perioden als Eiszeiten gab und zudem die Sonne in Zukunft minimal wärmer sein wird, schließt Zalasiewicz: „Es ist eher wahrscheinlich, dass die Erde zu ihrem Normalzustand zurückkehren wird – nämlich warmem Klima – so wie es einst die Dinosaurier liebten – ohne Eiskappen.“ Aus dem All betrachtet wird unser Planet dann noch blauer erscheinen als heute schon, denn das Meer wird die flachen Landbereiche überflutet haben.
Was aber bedeutet diese tropisch-warme, wasserreiche und belebte Erde für die Relikte unserer Ära?
Nadja Podbregar
Stand: 04.12.2009