18. Juni 2011. Für die Taucher der Bermuda Deep Caves- Expedition steht heute ein Höhepunkt bevor: Heute soll der tiefste bemannte Tauchgang erfolgen. Das Ziel ist die Challenger-Tiefe, der steile Hang des Challenger-Seamounts, eines Unterwasserberges, der dem Sockel der Bermudainseln vorgelagert ist. Auch dieser Hang war bereits 2009 vom Multibeam-Sonar abgetastet worden. Dabei hatten die Forscher zahlreiche dunkle Flecken in den Aufnahmen entdeckt, die auf mögliche Höhleneingänge hindeuteten.
Im Unterwasser-Raumanzug in die Tiefe
„In Ausrüstung eingepackt, die mehr einem Raumanzug glich als einer Tauchausrüstung, ließen wir uns von der Kante des Challenger-Seamounts absinken“, berichtet Jill Heinerth. In 129 Metern Tiefe stoppen die Heinerth und ihr Mittaucher Brian Kakuk. Etwa auf dieser Höhe soll sich eine mögliche Höhlenöffnung befinden. Eine Aufnahme des ferngesteuerten Tauchroboters hatte gezeigt, dass vor dem potenziellen Eingang die Leine eines abgerissenen Ankers baumelte. Nach dieser Leine suchten die beiden Taucher nun.
„Wir haben schnell festgestellt, dass nahezu jeder Einwohner Bermudas schon mal einen Anker auf der Challenger-Bank verloren haben muss – es wimmelte hier nur so vor abgerissenen Tauen“, schildert Heinerth. Die Taucher finden zwar zahlreiche kleine Einbuchtungen im Steilhang, aber keine Höhle. Kalkuk geht noch bis auf 135 Meter hinunter, er glaubt dort einen vielversprechenden Hangabschnitt entdeckt zu haben. Aber umsonst: die erhoffte Höhle bleibt verschwunden.
Geschichtetes Leben am Steilhang
Nach wenigen Minuten ist die Zeit um, die beiden Taucher müssen sich auf den Aufstieg machen, um ihre Dekompressionszeiten noch einhalten zu können. Während sie langsam nach oben steigen, sammeln sie Proben von Gestein und dem Aufwuchs am Steilhang. Deutlich die Schichtung der Korallen in den verschiedenen Tiefen zu erkennen: „Die zarten, spitzenähnlichen Korallen waren nur unterhalb von 120 Metern zu finden, dafür wuchsen die kompakteren, rötlichen Weichkorallen nur oberhalb von 75 Metern Wassertiefe“, berichtet Heinerth. Diese Zonierung kommt zustand, weil die Organismen unterschiedlich viel Licht benötigen. Zudem können einige dem hohen Wasserdruck in der Tiefe besser widerstehen als andere.
Auch einige geologische Strukturen beobachten die beiden Taucher: In rund 110 Metern Tiefe ist der Steilhang durch zahlreiche tiefe Kerben gezeichnet. Die Forscher vermuten, dass es sich um Erosionsspuren durch Wellengang oder andere Wasserbewegungen handelt. Denn während der Eiszeit lag dieser Hangbereich nur knapp unter dem Meeresspiegel. Auch größere Erosionsspuren finden die Taucher: „Wir schwammen durch ein trogartiges Tal, das in die steile Seite des Unterwasserberges eingekerbt war“, so Heinerth. Hier könnte einst Regenwasser vom damals noch über das Wasser hinausragenden Challenger-Seamount ins Meer abgeflossen sein.
Am Ende des Tauchgangs zur Challenger-Tiefe haben die beiden Taucher einen neuen Rekord aufgestellt: „ROVs, Tauchglocken und Tauchboote haben diese Tiefen zwar bereits zuvor erkundet, aber wir waren die ersten Taucher hier unten. Unsere Beobachtungen aus erster Hand können den Wissenschaftlern an Land Details liefern, die ihnen zuvor nicht zur Verfügung standen. Noch allerdings hat die Auswertung der Foto- und Filmaufnahmen und der zahlreichen Proben gerade erst begonnen….
Nadja Podbregar
Stand: 18.11.2011