„Unmöglich!“, „ein vulgärer Streich!“ Als im Jahr 1880 ein spanischer Forscher den ersten Bericht über prähistorische Höhlenmalereien publizierte, waren die Reaktionen einhellig: Das konnte nicht sein. Es schien schlicht unmöglich, dass „unzivilisierte“ Urzeit-Menschen zu echter Kunst und zu solchen prachtvollen Malereien fähig waren. Ausgeschlossen! Oder doch nicht?
Rote Pferde, bunte Bisons
Die Zeichnungen und Beschreibungen der „unmöglichen“ Kunstwerke stammten aus der Höhle von Altamira in Nordspanien. Sie war erst wenige Jahre zuvor durch Zufall von einem Jäger auf der Suche nach seinem Jagdhund entdeckt worden. Schon erste Erkundungen und Ausgrabungen zeigten, dass diese Höhle offenbar schon vor Jahrtausenden Menschen beherbergt hatte – davon zeugten unter anderem Knochennadeln, Feuerstein-Werkzeuge und Reste bearbeiteter Tierknochen.
Die eigentliche Sensation aber wartete tiefer im Inneren: Die Decken der Kammern und Gänge waren über und über mit farbenprächtigen Bildern bedeckt. Auf einer Seite galoppierten große rote Pferde über die Felswand, dazwischen waren farbige Handabdrücke zu erkennen. An anderen Stellen prangten schwarz umrissene, farbig ausgemalte Hirsche und Bisons neben kleineren Symbolen und maskenartigen Formen.
„Das muss eine Fälschung sein!“
Insgesamt 930 verschiedenen Höhlenmalereien entdeckten Don Marcelino Sanz de Sautuola und seine Kollegen im Laufe ihrer Erkundungen. Vor allem die Tierdarstellungen beeindruckten dabei durch ihre Kunstfertigkeit und die naturgetreue Darstellung. Aus den Motiven, den prähistorischen Werkzeug- und Knochenfunden und der Tatsache, dass der Höhleneingang Jahrtausende lang verschüttet war, schlossen die Wissenschaftler, dass dieser Felsbilder aus der Steinzeit stammen mussten – und veröffentlichten dies auch so.
Prompt brach ein wahrer Shitstorm – wie man heute sagen würde – über die Forscher herein. Einhellig stellten sich Sautuolas Zeitgenossen gegen die Einstufung der Felsbilder als prähistorisch. Die Ablehnung ging sogar so weit, dass selbst renommierte Archäologen nicht einmal bereit waren, sich die Höhle selbst anzuschauen. Wegen des guten Erhaltungszustands der Felsbilder wurden Sautuola und seine Kollegen sogar der Fälschung bezichtigt: Diese Malereien seien erst vor kurzem geschaffen worden, hieß es.
Späte Genugtuung
Im Zuge dieser vernichtenden Kritik wurde sowohl die Höhle von Altamira als auch die ganze Idee einer prähistorischen Kunst gut zwei Jahrzehnte lang totgeschwiegen. Fachwelt und Öffentlichkeit waren sich einig: Steinzeitmenschen konnten gar nicht imstande gewesen sein, solche Kunstwerke zu schaffen. Kunst, so die allgemeine Ansicht, sei eine Errungenschaft der Zivilisation.
1902 jedoch änderte sich das Bild. Denn nun wurden auch in der Höhle von Font-de-Gaume in Frankreich ähnliche Höhlenmalereien entdeckt. Die teilweise zweifarbigen, teilweise bunten Figuren zeigten nicht nur Pferde, Rentiere, Hirsche und Wisente, sondern auch längst ausgestorbene Tierarten wie Mammuts und Wollnashörner. Das ließ kaum mehr Zweifel daran, dass es sich um Darstellungen aus prähistorischer Zeit handeln musste.
Unsere Vorfahren warten demnach durchaus in der Lage, kunstvolle Bildnisse zu schaffen. Aber seit wann?
Nadja Podbregar
Stand: 04.11.2016