Anthropogeographie

Die erste „Revolution“

Die Radiokohlenstoff-Methode

Lange Zeit mussten Archäologen bei ihren Datierungen gewisse Unschärfen einfach hinnehmen – heute weiß man, dass der Fehler bei über einem Jahrtausend lag. Bis zur Erfindung der C14-Methode: Diese Methode ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich der Siegeszug eines neuen Verfahrens bei allem anfänglichen Argwohn nicht aufhalten lässt.

Vor allem in der Vor- und Frühgeschichte liefert die C14-Methode wichtige Informationen. Zum Beispiel am Mannheimer Klaus- Tschira-Archäometrie-Zentrum können mit modernster Technik kleinste Proben untersucht werden. Im Bild: Bernd Kromer, Leiter des Zentrums, mit dem AMS-Gerät. Die Beschleuniger- Massenspektrometrie (AMS) vereinigt die Methoden der Massenspektrometrie und kernphysikalische Untersuchungsmethoden. © Bernd Kromer

Isotope als Alters-Indikatoren

Mit dem C14-Verfahren, auch Radiokohlenstoffmethode genannt, lässt sich das Alter organischer Funde bestimmen. Dies ist möglich, weil alle lebenden Organismen Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen. Kohlenstoff gibt es in drei „Arten“, die man Isotope nennt: C12, C13 und C14, je nach Anzahl der Protonen und Neutronen im Atomkern. Stirbt der Organismus, wird kein C14 mehr aufgenommen. Das bereits vorhandene C14 zerfällt nun langsam mit einer Halbwertszeit von 5.730 Jahren. C12 allerdings bleibt unverändert erhalten.

Aus dem Verhältnis von C12 und C14, das mithilfe eines Massenspektrometers oder mit einem radiometrischen Messverfahren ermittelt werden kann, lässt sich nun das Alter des Fundes bestimmen – vorausgesetzt, der Fund ist nicht älter als 50.000 Jahre, denn dann ist zu viel C14 zerfallen. Ist das Alter organischer Funde bekannt, können die Archäologen wiederum auf das Alter nicht organischer Fundstücke aus demselben Fundzusammenhang schließen.

Durchgesetzt trotz Skepsis

„Die Datierung durch die C14-Methode des US-amerikanischen Chemikers Frank Libby war ein großer Durchbruch für die Archäologie“, sagt Rüdiger Krause, prähistorischer Archäologe in Frankfurt, der unter anderem in Bernstorf, im Montafon und im Trans-Ural forscht. Er könne sich daran erinnern, dass es in den 1980er und 1990er Jahren noch viele Skeptiker gab. Vor allem die älteren Archäologen wollten an der vergleichenden Methode festhalten.

Tatsächlich mussten durch Libbys Erfindung frühere Forschungswahrheiten revidiert werden: Bislang waren die Archäologen zum Beispiel davon ausgegangen, dass das Neolithikum Europas, also die Sesshaftigkeit des Menschen, erst um 3.000 vor Christus begonnen hatte, nun zeigte es sich, dass diese Datierung um 2.000 bis 3.000 Jahre nach vorne korrigiert werden musste.

Die Jahresringe von Bäumen helfen dabei, die C14-Methode gewissermaßen zu eichen. © Torbjörn Axelson/ gemeinfrei

Baumringe machen C14 noch genauer

Doch die C14-Methode allein stellte sich bald als nicht exakt genug heraus: Aufgrund des stark schwankenden C14-Gehalts in der Atmosphäre ist eine zusätzliche Kalibrierung, also eine Art

Eichung notwendig. Mithilfe der Jahresringe von Bäumen kann ermittelt werden, welcher C14-Gehalt in den einzelnen Jahren in der Atmosphäre vorhanden war. Auf diese Art und Weise konnte im Zusammenspiel der beiden Messmethoden eine zuverlässige Kalibrierungskurve erstellt werden, die inzwischen bis in die Mitte des 13. Jahrtausends zurückgeht.

Heute sind diese Verfahren längst Standard, sie werden auch von kommerziellen Firmen angeboten. Aber noch immer spricht man von der „radiocarbon revolution“. Wobei C14-Datierungen nicht für alle archäologischen Disziplinen gleich wichtig sind: In den Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit beispielsweise spielen sie im Vergleich zu anderen Datierungsmöglichkeiten nur eine untergeordnete Rolle.

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Anke Sauter / Forschung Frankfurt
Stand: 08.05.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Vom Spaten zum Massenspektrometer
Methodenwandel und Erkenntnisgewinn in der Archäologie

Die falsche Wölfin
Wie neue Methoden unser Wissen verändern

Formen und Schichten
Archäologie früher

Die erste "Revolution"
Die Radiokohlenstoff-Methode

Die Zähne zeigen es
Woher stammt ein Mensch?

Scherben, Münzen und Bronzefragmente
Neue Analysemethoden werfen Licht auf historische Funde

Gewusst wie
Welche Methode ist angemessen?

Was Pflanzenreste verraten
Die Archäbotoanik macht die Vergangenheit lebendig

Geistes- oder Naturwissenschaft?
Die Debatte um die Einordnung der Archäologie

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