Physik

Die Fahndung läuft

Teilchenkollisionen und erste Kandidaten

Die physikalische Theorie sagt voraus, dass Teilchen aus mehreren Gluonen existieren müssten: die sogenannten Gluebälle. Diese würden nur aus der starken Wechselwirkung bestehen, also nur aus dem Kleber, der Materie zusammenhält.

Glueball-Bildung im BESIII
Im BESIII-Experiment kollidieren Elektronen und Positronen mit hoher Energie. Theoretisch könnten dabei Zerfallsketten entstehen, in deren Verlauf auch ein Glueball gebildet wird. © RUB

Glueball-Fahndung im Beschleuniger

„Gluebälle nachweisen zu können, wäre ein Traum“, sagt RUB-Forscher Ulrich Wiedner. Allerdings ist dieser Nachweis eine besondere Herausforderung, wie der Experimentalphysiker aus jahrelangen Versuchen an Teilchenbeschleunigern weiß. Er und sein Team sind am BESIII-Experiment in China beteiligt, das am „Beijing Electron Positron Collider“ angesiedelt ist. Wie der Name sagt, lässt dieser Teilchenbeschleuniger Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, miteinander kollidieren.

Bei diesen Kollisionen wandeln sich Elektron und Positron in andere Teilchen um. Die Physiker am BESIII-Experiment untersuchen, welche Teilchen aus der Energie der Kollision entstehen, und vor allem suchen sie in den Zerfällen der entstandenen Teilchen nach neuen Teilchen, die bislang noch nie nachgewiesen wurden. Zum Beispiel den Gluebällen. „Allerdings tragen die kein Fähnchen mit sich rum, auf dem steht: ‚Ich bin ein Glueball‘“, veranschaulicht Wiedner das Dilemma.

Immerhin haben Physiker schon an mehreren Teilchenbeschleunigern erste Hinweise auf nur aus Gluonen bestehende Gebilde beobachtet. Bereits 2015 gab es einen möglichen Kandidaten für einen Glueball und 2021 registrierten Forschende am CERN und am Fermilab in den USA auch mögliche Indizien für Odderons – Glueballs aus einer ungeraden Anzahl von Gluonen.

Ein Teilchen zu viel

Auch das BESIII-Experiment hat bereits einen Kandidaten für einen Glueball identifiziert. „Wir wissen, dass es sich um ein neues Teilchen handelt, aber wir können nicht zweifelsfrei beweisen, dass es ein Glueball ist“, erklärt Wiedner. Konkret sieht das Forschungsteam unter den Kollisionsprodukten drei Teilchen mit bestimmten Eigenschaften, obwohl nach theoretischen Vorhersagen eigentlich nur zwei Teilchen erklärbar sind.

„Dieses dritte Teilchen muss etwas Neues sein, etwas, das nicht vom Standardmodell der Teilchenphysik vorhergesagt wird. Ein Glueball ist die wahrscheinlichste Erklärung“, so Wiedner. Das Problem ist: Andere Teilchen versperren den klaren Blick auf den vermeintlichen Glueball. Die drei Teilchen, die in dem beobachteten Zerfall entstehen, leben nur sehr kurz. Sie können weiter zerfallen und sich dabei ineinander umwandeln. So kann ein Glueball auch zu einem der anderen Teilchen werden, das ursprünglich mit ihm im Zerfall entstanden war.

Datenauswertung
Auswertung von Kollisionsdaten: Je mehr Teilchen in einem Zerfall entstehen, desto mehr Peaks hat eine Kurve – zumindest idealerweise. Liegen die Peaks zu dicht beieinander, können sie sich überlagern und einen einzelnen breiten Peak bilden. Das erschwert die Identifikation der beteiligten Teilchen, aber das PAWIAN-Analysepaket kann sie trotzdem separieren. © Damian Gorczany/ RUB

Partialwellenanalyse trennt Spreu vom Weizen

Um die komplexen Daten besser auswerten zu können, hat das Bochumer Team ein Programm namens PAWIAN entwickelt. Die Bezeichnung leitet sich von der Methode der Partialwellenanalyse ab, ein mathematisches Verfahren, mit dem die Forschenden herausfinden wollen, welche Teilchen in den gemessenen Daten stecken könnten.

Für die Datenanalyse trägt Wiedners Team in Diagrammen die Anzahl der gemessenen Zerfälle bei bestimmten Energien auf. Die Peaks der so entstehenden Kurve repräsentieren dabei bestimmte Teilchensorten. Sind mehrere Peaks in einer Kurve sichtbar, sind auch mehrere Teilchensorten im Zerfallsprozess entstanden. Problematisch wird es, wenn die Peaks nah beieinanderliegen und sich gegenseitig überlagern.

Mithilfe von PAWIAN vergleichen die Forschenden theoretische Vorhersagen mit gemessenen Daten. Sie sagen voraus, wie eine Kurve aussehen müsste, wenn eine bestimmte Kombination von Teilchen in einem Zerfall entstanden wäre, und legen diese Kurve über die echten Daten. So können sie prüfen, welche Teilchen-Kombinationen die Messergebnisse am besten erklären können. Die Vorhersagen für einen Glueball passen dabei gut zu den Daten des BESIII-Experiments.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Geheimnis der Glueballs
Gibt es exotische Teilchen nur aus Gluonen?

Der Kleber der Materie
Warum Gluonen besonders sind

Die Fahndung läuft
Teilchenkollisionen und erste Kandidaten

Mit PANDA auf Glueball-Jagd
Wird der Nachweis gelingen?

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