Lange Zeit galten Elektroantriebe in der Luftfahrt als chancenlos: Zu leistungsschwach waren die Motoren und zu schwer die Batterien. Doch dank technischer Fortschritte hat sich dies inzwischen geändert. Elektrische Antriebstechnologien holen langsam auf und könnten in naher Zukunft sogar in der Luft konkurrenzfähig werden – und ganz neue Nischen erobern.
Von der Drohne zum fliegenden Auto
Entscheidenden Schub hat das elektrische Fliegen dabei nicht aus der klassischen Luftfahrt bekommen, sondern von deren „kleinen Brüdern“ – den Drohnen. Sie sind schon seit Jahren erfolgreich elektrisch in der Luft unterwegs und erobern sich immer weitere Anwendungsbereiche. Typisch für die meisten Drohnen sind mehrere Rotoren, die sich wie bei einem Hubschrauber horizontal drehen. Ihre Kombination zu Quadro- oder Multicoptern verleiht den Drohnen eine stabile Fluglage und macht sie dank moderner Steuerungselektronik leicht kontrollierbar. Viele Modelle bewegen sich inzwischen sogar autonom zu ihrem vorab eingegebenen Ziel.
Genau diese Eigenschaften sollen künftig auch Lufttaxis zugutekommen. Eine ganze Reihe von Unternehmen und Startups haben bereits Multicopter entwickelt, die groß und leistungsfähig genug sind, um zwischen einer und vier Personen in die Luft zu bringen. Luftfahrtunternehmen wie Boeing und Airbus haben eigene Abteilungen für Lufttaxis eingerichtet. Die „fliegenden Autos“ der Science-Fiction könnten damit bald Realität werden.
Volocopter: Lufttaxis mit 18 Rotoren
Zu den ersten, die eine Drohne zum Passagier-Transporter umfunktioniert hat, gehört das deutsche Startup Volocopter. Ihr X2 bekam 2016 als weltweit erster Multicopter die Zulassung für bemannte Flüge und hob noch im gleichen Jahr mit einem ersten Testpassagier ab. Angetrieben wird der Volocopter von 18 Rotoren auf einer neun Meter breiten Ringkonstruktion. Sie beschleunigen das Fluggerät auf rund 70 Kilometer pro Stunde und können zwei Insassen in die Luft bringen. Neun Lithium-Ionen-Akkus liefern den dafür nötigen Strom.
Als autonomes Lufttaxi könnte der Volocopter Passagiere sowohl auf festen Pendelrouten als auch „on-Demand“ transportieren. „Wir gehen davon aus, dass jedes Lufttaxi-System mit einer einzelnen Punkt-zu-Punkt-Verbindung beginnt und Schritt für Schritt in ein System mit zig Volo-Hubs und Volo-Ports in der Stadt wächst“, sagt Volocopter Mitgründer Alex Zosel. „Wenn das System voll in Betrieb ist, wird ein Flug zum Treffen nicht viel teurer sein als eine Taxifahrt – sehr wohl aber schneller.“
Bereits 2017 hat der Volocopter seinen ersten autonomen Flug in Dubai City absolviert. Dort soll er schon bald als Lufttaxi eingesetzt werden. Ab Mitte 2019 will auch Singapur den Volocopter als fliegendes Stadttaxi testen. In Deutschland wollen sowohl der Flughafen Frankfurt als auch der ADAC demnächst Volocopter testen. Zosel schätzt, dass schon in weniger als zehn Jahren Lufttaxi-Systeme existieren werden, die bis zu 100.000 Passagiere pro Stunde an ihr Ziel bringen.
Senkrechtstarter mit Flügeln
Auch die großen Luftfahrt-Unternehmen haben inzwischen das Lufttaxi als lukrative Marktnische für sich entdeckt – und liefern sich einen harten Konkurrenzkampf. Im Januar 2019 ist das Passenger Air Vehicle (PAV) von Boeing zu seinem Erstflug gestartet. Im Gegensatz zum Volocopter besitzt dieser Elektroflieger Tragflächen und schwenkbare Propeller. Dadurch kann er senkrecht starten, dann aber wie ein Flugzeug vorwärts fliegen.
Mit einer Reichweite von rund 80 Kilometern kann der PAV seine beiden Passagiere deutlich weiter transportieren als der Volocopter. Dennoch sieht Boeing auch bei ihrem autonomen Lufttaxi den Haupteinsatzzweck auf innerstädtischen Routen. „So sieht eine Revolution aus – und die Autonomie macht sie möglich“, sagt John Langford von Aurora Flight Sciences, der Entwicklerfirma, die vor kurzem von Boeing aufgekauft wurde.
Doch Konkurrent Airbus hat ebenfalls bereits mehrere Lufttaxis in petto: Anfang 2018 absolvierte der elektrische Senkrechtstarter Vahana seinen Erstflug, der wie der PAV acht schwenkbare Propeller plus Tragflächen besitzt. Eher einem klassischen Quadrocopter ähnelt dagegen der CityAirbus, den der Airbus-Konzern gemeinsam mit Siemens entwickelt hat. Das Flugtaxi soll vier Passagiere und insgesamt gut zwei Tonnen Gewicht tragen können. Nach Angaben der Hersteller könnte der CityAirbus künftig im Pendelflug beispielweise zwischen Flughäfen und Innenstädten eingesetzt werden. Noch allerdings ist dieses Shuttle nicht geflogen. Bei der Vorstellung des CityAirbus Anfang März in Ingolstadt blieb der Multicopter am Boden.